02.02.2016
Autor: Dr. Uwe Jocham
BAG, Urteil vom 15.9.2015, 3 AZR 839/13
Kommentar:
Das BAG hat mit dem Urteil eine weitere Differenzierung der Rechtsprechung zur Anpassung von Betriebsrenten bei sog. Rentnergesellschaften vorgenommen.
Entgegen der Rechtsauffassung des in der Vorinstanz mit dem Fall befassten Landesarbeitsgerichts Köln sieht das BAG im entschiedenen Fall keine Verpflichtung, im Wege des Schadensersatzes wegen unzureichender Ausstattung der Rentnergesellschaft gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1, § 241 Abs. 2 BGB die Betriebsrente des Klägers anzupassen. Das LAG hatte die vom BAG im Urteil vom 11. März 2008 (3 AZR 358/06) entwickelten Grundsätze – wonach bei nicht ausreichender finanzieller Ausstattung einer Rentnergesellschaft ein Schadenersatzanspruch gegen den (ehemaligen) Arbeitgeber besteht, wenn dieser im Wege der Ausgliederung nach dem Umwandlungsgesetz Versorgungsverbindlichkeiten übertragen hat – auch auf den hier vorliegenden Fall einer Rentnergesellschaft angewandt, die durch Übertragung des operativen Geschäfts entstanden ist.
Das BAG hat nun klargestellt, dass ein solcher Schadenersatzanspruch des Versorgungsberechtigten trotz mangelnder Ausstattung der Rentnergesellschaft dann nicht in Betracht kommt, wenn der frühere Arbeitgeber und – spätere – Versorgungsschuldner sein operatives Geschäft veräußert und so zu einer Rentnergesellschaft wird. Das BAG begründet diese Unterscheidung damit, dass in solch einer Konstellation nicht typischerweise die Gefahr bestehe, dass die schutzwürdigen Interessen der Versorgungsberechtigten beeinträchtigt werden, da die Anpassungsprüfungspflicht nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG beim bisherigen Versorgungsschuldner verbleibe, der für den Verkauf seines operativen Geschäfts den vereinbarten Kaufpreis erhalte. Es realisiere sich durch den Verkauf für die Betriebsrentner ihre Teilhabe am Wirtschaftsrisiko des Versorgungsschuldners, was sich mit den Vorgaben von § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG decke.
Anders als in der Literatur kritisiert, sieht das BAG bei einer solchen Ausgliederung des operativen Geschäfts auch keine unzulässige Möglichkeit, Rentenanpassungen zu umgehen. Die Kritik der Literatur – die sich auf einen vom BAG mit Urteil vom 17. Juni 2014 (3 AZR 298/13) ähnlich entschiedenen Fall bezog – macht sich das BAG nicht zu Eigen. Das BAG stellt bei der Beurteilung eines Schadenersatzanspruchs bei mangelhafter Ausstattung der Rentnergesellschaft ausschließlich darauf ab, ob durch die Gründung der Rentnergesellschaft die Anpassungsprüfungspflicht nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG beim bisherigen Versorgungsschuldner verbleibt oder nicht. Nur in letzterem Fall sieht das BAG eine mögliche Schadenersatzpflicht des ehemaligen Versorgungsschuldners.
Mit dieser Entscheidung des BAG dürfte die Bildung einer Rentnergesellschaft durch Veräußerung des aktiven Geschäfts eine neue Attraktivität bekommen, um zukünftig Betriebsrentenanpassungen zu vermeiden.
Allerdings ist Vorsicht geboten, wenn die Übertragung des operativen Geschäfts innerhalb eines Konzerns erfolgen soll. In diesem Fall ist nach Ansicht des BAG zu prüfen, ob aus § 826 BGB gegen die Versorgungsschuldnerin wegen sittenwidriger Schädigung der Betriebsrentner ein auf Anpassung der Betriebsrente an den Kaufkraftverlust gerichteter Schadensersatzanspruch besteht. Bei Übertragung des operativen Geschäftes im Konzern sieht das BAG die Gefahr, dass der Versorgungsschuldner nicht wie ein wirtschaftlich vernünftig handelnder Arbeitgeber bemüht ist, die Liquidität seines Unternehmens zu erhalten und den Gewinn zu steigern. Diesem Verdacht könnte jedoch entgegen gewirkt werden, wenn dem Versorgungsschuldner für den veräußerten Geschäftsbetrieb eine (marktgerechte) Gegenleistung zufließt und der Anlass zur Veräußerung des Betriebs oder Betriebsteils nicht in der Schädigung der Betriebsrentner liegt.