Datum: 11.04.2017
Autorin: Rita Reichenbach
Vor kurzem haben sich sowohl das Bundesarbeitsgericht (BAG) als auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Entscheidungen zur betrieblichen Hinterbliebenenversorgung zu Wort gemeldet. Beide Entscheidungen werfen Fragen auf, die wir nachfolgend kommentieren möchten.
Der EuGH hat im Rahmen seiner Entscheidung vom 24.11.2016 (C 443/15) eine sog. Späteheklausel, wonach keine Hinterbliebenenversorgung gewährt wird, wenn die Ehe nach Vollendung des 60. Lebensjahres geschlossen wird, für zulässig erachtet. Noch im Jahr 2015 hat das BAG eine solche Klausel wegen einer unzulässigen Altersdiskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) für unwirksam erklärt.
Ist es jetzt etwa doch möglich, solche Klauseln in Versorgungsregelungen deutscher Arbeitgeber weiterhin anzuwenden?
Wir meinen: Nein, denn der EuGH hat die Zulässigkeit der Späteheklausel vor dem Hintergrund eines Verstoßes gegen die europäische Anti-Diskriminierungsrichtlinie geprüft, ohne dass er eine Verhältnismäßigkeitsprüfung für erforderlich gehalten hat. Die europäische Richtlinie ist zwar auch in Deutschland zu beachten, doch geht die seitens des BAG vorgenommene Prüfung weiter. Das höchste deutsche Gericht nimmt eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 10 Satz 2 AGG vor, welcher eine entsprechende Späteheklausel nicht Stand hält. Somit dürfte das BAG auch nach der EuGH-Entscheidung bei seiner Auffassung bleiben.
Wir raten darum weiterhin, an ein bestimmtes Alter bei Eheschließung anknüpfende Späteheklauseln in Versorgungsregelungen zu streichen. Die Gewährung der Hinterbliebenenrente von der Eheschließung vor Eintritt des Versorgungsfalles abhängig zu machen, ist weiterhin zulässig.
2. Hinterbliebenenrente an die „jetzige“ Ehefrau
Am 21.02.2017 hat das BAG (3 AZR 297/15) entschieden, dass eine Versorgungsregelung, die nur die „jetzige“ Ehefrau des Arbeitnehmers im Rahmen der Hinterbliebenenversorgung begünstigt, der AGB-Kontrolle nicht Stand hält, weil sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt.
Eine solche Formulierung ist nach unserer Erfahrung eher unüblich, in der Regel wird die Ehefrau begünstigt, mit der der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt seines Todes verheiratet war. Allerdings findet sich in Versorgungszusagen häufig auch das Versprechen der Witwenrente an eine namentlich genannte Ehefrau, nämlich an diejenige, mit der der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Zusageerteilung verheiratet war.
Vor diesem Hintergrund könnte die BAG-Entscheidung also ggf. von Bedeutung sein, jedenfalls für solche Versorgungszusagen, die einer AGB-Kontrolle unterliegen. Derzeit liegen allerdings die Urteilsgründe, aus denen auch die genaue Ausgestaltung des Sachverhaltes zu entnehmen ist, noch nicht vor. Die derzeit vorliegende Pressemitteilung ist u. E. nicht geeignet, zuverlässige Erkenntnisse zu gewinnen.
Wir werden, sobald die Urteilsbegründung vorliegt, diese gründlich prüfen, den Handlungsbedarf für die jeweiligen Typen von Versorgungszusagen analysieren und Sie darüber informieren.