09.09.2016
Autor: Thomas Bischopink
Dem Kläger wurden von seiner ehemaligen Arbeitgeberin (Beklagten) Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zugesagt, die er mittels Entgeltumwandlung aufgebaut hat. Die Altersleistung wird nach den Versorgungsregelungen als Alterskapital gewährt, welches in bis zu 12 Jahresraten ausgezahlt werden kann. Die Raten 2 bis 12 werden „mit einem marktüblichen Zinssatz p.a. verzinst, der abhängig ist von der durchschnittlichen Ratenlaufzeit.“ Der Arbeitgeber legt diesen Zins jeweils im Februar vor Auszahlung der ersten Rate für jede Ratenanzahl (2 bis 12 Raten) fest.
Die beklagte Arbeitgeberin legte im streitgegenständlichen Fall den Zinssatz anhand der Bloomberg Yield Curve Number 13 („Staatsnullkuponanleihen“; 5,5 Jahre Laufzeit) auf 0,87 % p. a. fest. Der versorgungsberechtigte Kläger hielt eine Verzinsung von mindestens 3,55 % p. a. bzw. in Höhe des von den Lebensversicherern garantierten Zinses für marktüblich. Dies sei ein Zinssatz für Geldanlagen, der üblicherweise für eine Altersvorsorge gewählt würde.
Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und einen Zins von 2,13 % (Zinsstrukturkurve (Svensson-Methode) für börsennotierte Bundeswertpapiere, 11 Jahre Laufzeit) für marktüblich im Sinne der Versorgungszusage angesehen.
Das BAG hat die Klage nun final abgewiesen und erkannt, dass die Festlegung des marktüblichen Zinssatzes im vorliegenden Fall dem Arbeitgeber im Rahmen billigen Ermessens nach § 315 BGB oblag. Es sei nicht unbillig, für die Verzinsung eines Versorgungskapitals darauf abzustellen, wie dieses sicher angelegt werden kann. Dem entspräche eine Orientierung an der Rendite von „Staatsnullkuponanleihen“.
Die Entscheidung könnte viele Arbeitgeber, die in ihren Versorgungszusagen Kapitalleistungen in Form von Ratenzahlungen und einer marktbezogenen Verzinsung vorsehen, aufatmen lassen. Eine Verzinsung anhand des (derzeit höheren) Höchstrechnungszinses der Versicherungswirtschaft oder gar der Gesamtverzinsung deutscher Lebensversicherer ist nicht erforderlich. Es reicht, wenn der Arbeitgeber auf die Rendite von vom Gericht „Staatsnullkuponanleihen“ genannten Anleihen abstellt. Auch wenn die Urteilsgründe bislang noch nicht vorliegen, kann der Pressemitteilung entnommen werden, dass das BAG dem gesteigerten Interesse des Arbeitgebers an einer sicheren Anlage Rechnung getragen hat. Der Arbeitgeber kann hinsichtlich der marktüblichen Verzinsung also auf solche risikoärmeren Anlagen abstellen. Interessant wird sein, ob und inwieweit sich das BAG auch zu dem Argument des Klägers zur Wertgleichheit nach § 1 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG geäußert hat. Der Kläger hatte in der Berufungsinstanz noch vorgetragen, die vom Arbeitgeber angenommene Verzinsung widerspreche dem bei Entgeltumwandlungen bestehendem Erfordernis der Wertgleichheit. Aussagen hierzu könnten u. U. auch Rückschlüsse auf die immer wiederkehrende Frage nach einer Verzinsungspflicht des Arbeitgebers für Entgeltumwandlungsbeträge geben. Hier bleiben die Urteilsgründe abzuwarten.
Generell gilt aber: Unbestimmte Begriffe – wie vorliegend die „marktübliche Verzinsung“ – sind häufig Anlass für Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitern. Die Auslegung unbestimmter Begriffe muss nicht immer im Sinne des Arbeitgebers ausgehen. Entscheidet ein Arbeitsgericht entgegen der bisherigen Praxis, kann dies zur Folge haben, dass zukünftig höhere Renten vom Arbeitgeber zu zahlen sind. Zudem könnten hohe Rentennachzahlungen drohen. Um dies zu vermeiden, ist zu empfehlen, unbestimmte Begriffe zu vermeiden und v. a. Berechnungsprämissen klar und unmissverständlich in den Versorgungszusagen zu definieren. Dies sorgt für mehr Rechtssicherheit auf beiden Seiten.
Einige Kommentatoren des Betriebsrentengesetzes und manche Berater hatten in der Vergangenheit befürchtet oder gemutmaßt, dass bei einer höheren Ratenzahlungsdauer (z. B. deutlich über drei Jahren) die jährlichen Raten einer Anpassung gemäß § 16 BetrAVG unterlägen. Die Verbraucherpreisentwicklung der Jahre 2011 und 2012 lag noch bei rund zwei Prozent, daraus hätte sich also eine deutlich höhere Steigerung der Raten ergeben. Die Frage dürfte vorliegend nicht entscheidungserheblich gewesen sein, da seit Versorgungsfalleintritt der 3-Jahres-Rhythmus i. S. d. § 16 BetrAVG noch nicht abgelaufen war. Es bleibt zu hoffen, dass das BAG gleichwohl hierzu in einem Obiter Dictum etwas ausgeführt hat.
Das Urteil ist sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer positiv zu sehen. Arbeitgeber können marktübliche Zinsen sehr sicherer Anleihen zugrunde legen, soweit nicht andere Modalitäten vereinbart wurden. Dadurch können sie die zunehmend beliebtere Gestaltungsform Ratenzahlung auch weiterhin anbieten, ohne sich unkalkulierbaren Risiken auszusetzen. Und Arbeitnehmer können damit rechnen, die aus steuerlicher Sicht gegenüber der Kapitalzahlung attraktivere Ratenzahlung auch in Zukunft weiterhin nutzen zu können.