Nur mit Zusätzlichem spart man Steuern! 

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10 August 2020

Wer hätte das gedacht? Das kleine Wörtchen „zusätzlich“ genießt im Steuerrecht eine so große Bedeutung, dass ihm nun ein eigener Absatz in § 8 des Einkommensteuergesetzes gewidmet werden soll.

Worum geht es?

Zuschüsse des Arbeitgebers für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, ein betriebliches Fahrrad, das Aufladen von Elektroautos, die Kinderbetreuung, die Gesundheitsförderung oder die Pflege von Angehörigen sind steuerfrei, soweit sie zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden. 

Gutscheine und Geldkarten gehören unter den gleichen Voraussetzungen gar nicht erst zu den steuerlichen Bezügen. Aktuell sind Leistungen bis zu 1.500 Euro, die der Arbeitnehmer wegen der Coronakrise im Zeitraum vom 01.03. bis zum 31.12.2020 erhält, steuerfrei. Sachzuwendungen, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet werden, können pauschal mit 30 Prozent versteuert werden.

Auch für unser Gebiet der betrieblichen Altersversorgung hat das „Zusätzliche“ eine besondere Bedeutung. Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz wurde in § 100 EStG ein Förderbetrag eingeführt, der ebenfalls nur genutzt werden kann, wenn der Arbeitgeber zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn einen Beitrag an eine Pensionskasse, einen Pensionsfonds oder eine Direktversicherung leistet.

Der Duden definiert „zusätzlich“ als „zu etwas bereits Vorhandenem, Gegebenem ergänzend, erweiternd hinzukommend“. Ist damit nicht alles klar?

Offensichtlich nicht, denn diese Frage hat vor etwa einem Jahr den Bundesfinanzhof beschäftigt. Im BFH-Urteil vom 01.08.2019, VI R 32/18,  ging es um die Frage, ob Zuschüsse für die Fahrt zur Arbeit und die Internetnutzung auch dann pauschal besteuert werden können, wenn der Arbeitnehmer im Gegenzug auf Entgelt verzichtet hat. Der Bundesfinanzhof war der Meinung: Ja, das geht.

Das wiederum widersprach der Auffassung der Finanzverwaltung. All diese steuerlichen Begünstigungen sollten gerade nicht durch Entgeltumwandlung erreichbar sein. Daher war die Reaktion ein Nichtanwendungserlass – etwas, was verfassungsrechtlich in Verruf geraten ist und deshalb von der Finanzverwaltung mittlerweile nach Möglichkeit vermieden wird. So weisen Nichtanwendungserlasse die Finanzverwaltung an, die Grundsätze eines Urteils nur in dem konkret entschiedenen Sachverhalt zu berücksichtigen und nicht auf vergleichbare Fälle analog anzuwenden. Hier allerdings hat die Finanzverwaltung die Notwendigkeit gesehen, ihre abweichende Auffassung mit dem BMF-Schreiben vom 05.02.2020 deutlich zu machen.

Nach einer langen Begründung, warum die Finanzverwaltung die BFH-Entscheidung für falsch hält, wird „im Vorgriff auf eine entsprechende Gesetzesänderung“ und „zur Gewährleistung der Kontinuität der Rechtsanwendung“ genau definiert, wann Leistungen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden.

Voraussetzung ist demnach, dass keine Anrechnung auf die Arbeitsbezüge erfolgt, dass dafür die Arbeitsbezüge nicht herabgesetzt oder Erhöhungen der Bezüge unterlassen werden und dass die Arbeitsbezüge bei Wegfall der Leistung nicht erhöht werden. Entgeltumwandlung käme danach also nicht mehr infrage.

Der Finanzverwaltung ist das Thema wichtig, weshalb es auch in das Gesetzgebungsverfahren eingeflossen ist. Zunächst sollte die Frage im Grundrentengesetz geklärt werden, wurde dort aber mittlerweile wieder gestrichen.

Das Grundrentengesetz, das zwischenzeitlich verabschiedet wurde, hat nebenbei auch die Höchstgrenzen für den Förderbetrag nach § 100 EStG verdoppelt. In der Gesetzesbegründung (Bundestags-Drucksache 19/18473, S. 53) wird zur BFH-Entscheidung vom 01.08.2019 ausgeführt: „Die Auffassung des BFH widerspricht der Auffassung des Gesetzgebers. Die Finanzverwaltung wendet daher das zuvor genannte Urteil nicht an“.

Die Gesetzesänderung ist damit allerdings nicht vom Tisch. Sie ist vielmehr im aktuellen Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2020 (S. 7 f.) wieder aufgetaucht. § 8 EStG soll um einen Absatz 4 ergänzt werden, der die Regelung des BMF-Schreibens vom 05.02.2020 übernimmt. Er lautet:

Im Sinne dieses Gesetzes werden Leistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung nur dann zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht, wenn 

  1. die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
  2. der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,
  3. die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und
  4. bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird.

Wenn diese Gesetzesänderung kommt – und daran habe ich keinen Zweifel – dann können wir das zwar bedauern, sollten der Finanzverwaltung aber zähneknirschend recht geben: „zusätzlich“ heißt „zu etwas bereits Vorhandenem, Gegebenem ergänzend, erweiternd hinzukommend“. Es heißt nicht „anstelle von“.

 

Über den Autor
Thomas Hagemann

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