27 November 2019
Im Juli 2019 hat sich der BFH zweimal mit Abfindungsklauseln in Versorgungszusagen von Gesellschafter-Geschäftsführern beschäftigt. Um es vorwegzunehmen: Seien Sie vorsichtig mit solchen Klauseln.
In der ersten Entscheidung (BFH-Beschluss vom 10.07.2019, XI R 47/17 ) behielt das Unternehmen sich die Möglichkeit vor, die Altersleistungen durch eine einmalige Kapitalzahlung in Höhe des Barwertes abzulösen. Für die Ermittlung der Kapitalzahlung wurde zwar der Rechnungszins, nicht aber die zu verwendende Sterbetafel festgelegt.
Die Betriebsprüfung beanstandete die Pensionsrückstellungen und wies auf das BMF-Schreiben vom 06.04.2005, Tz. 3, hin. Danach gilt das Schriftformerfordernis nach § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG auch für Abfindungsklauseln in den Versorgungszusagen. Das BMF vertritt dort die Auffassung: „Wird das Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Abfindungshöhe nicht eindeutig und präzise schriftlich fixiert, scheidet die Bildung einer Pensionsrückstellung insgesamt aus.“
Im vorliegenden Fall war die Sterbetafel nicht festgelegt. Daher wollte die Finanzverwaltung die Pensionsrückstellungen nicht anerkennen.
Der BFH sah das anders. Die Zusage hat sich bei der Berechnung der Kapitalzahlung nämlich auf die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik bezogen. Im Wege der Auslegung hat der BFH daraus geschlossen, dass die „Sterbetafel trotz fehlender ausdrücklicher Benennung eindeutig bestimmt ist“, und die Pensionsrückstellungen anerkannt.
In der Urteilsbegründung heißt es: „Die Anwendung der Heubeck-Richttafeln entspricht seit 1998 in langjähriger Verwaltungspraxis den ‚anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik‘ […]. Berechnungen auf der Grundlage der Heubeck-Richttafeln, die üblicherweise auch in der Handelsbilanz herangezogen werden […], können daher […] als entsprechend einer ‚Verkehrssitte‘ erfolgt anzusehen sein.“
Die Argumentation ist gewagt, denn tatsächlich ist es auch möglich, modifizierte oder ganz eigene Sterbetafeln zu verwenden. Und selbst wenn man der Meinung ist, dass diese Fälle so selten sind, dass sie unberücksichtigt bleiben können, ergeben sich für die Berechnung von Kapitalwerten noch ganz andere Fragestellungen: Werden vielleicht Unisex-Tafeln verwendet? Werden beim Richttafelwechsel noch die alten oder schon die neuen Sterbetafeln verwendet?
Aber die Praxis kann mit dieser Entscheidung sicherlich gut leben. Problematischer ist die zweite Entscheidung (BFH-Beschluss vom 23.07.2019, XI R 48/17 ) in demselben Monat. Hier wurde in der Zusage eine Abfindung unverfallbarer Anwartschaften geregelt, und für die Ermittlung des Kapitalwertes wurde kein Rechnungszins (und keine Richttafel) festgelegt.
Das war dann auch dem BFH zu ungenau, weshalb er hier der Auffassung der Finanzverwaltung folgte. Auch im Wege der Auslegung gelinge es hier nicht, zu einem eindeutigen Rechnungszins zu kommen.
In der Urteilsbegründung heißt es dazu: „Als ‚Rechnungsgrundlagen für betriebliche Pensionsverpflichtungen‘ lassen sich z. B. für den Diskontierungszinssatz vielmehr sowohl die handelsrechtlichen […] als auch die steuerrechtlichen Rechnungsgrundlagen […] anführen, darüber hinaus auch die aufsichtsrechtlichen Rechnungsgrundlagen […] und die des § 4 Abs. 5 Satz 1 BetrAVG […], im Übrigen auch Zwischen- oder Durchschnittswerte […]. Damit besteht entgegen der Auslegung des FG eine ‚Unklarheit der Abfindungsoption‘ […]“.
Im Ergebnis wurden die Pensionsrückstellungen insgesamt nicht anerkannt. Das ist eine weitreichende Folge. Gibt es beispielsweise Unklarheiten bei der Berechnung der Invalidenleistung, so kann für die Berechnung der Pensionsrückstellungen dennoch die Altersleistung bewertet werden. Bei Unklarheiten in der Abfindungsklausel dagegen soll die Rückstellung insgesamt nicht mehr anerkannt werden? Und das, obwohl der Abfindungsbetrag in die Berechnung der Pensionsrückstellungen überhaupt nicht einfließt?
Nun muss man berücksichtigen, dass es bei beiden Entscheidungen um beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer ging. Wie sieht es bei Abfindungsklauseln für normale Arbeitnehmer aus?
§ 3 BetrAVG spricht ein generelles Abfindungsverbot aus und beschränkt Abfindungen bei ausgeschiedenen Anwärtern und Versorgungsempfängern auf Bagatellbeträge. Für die Höhe der Abfindungsbeträge wird allerdings auf § 4 Abs. 5 BetrAVG verwiesen. Und was finden wir dort zum Rechnungszins? Nichts, außer dass „die Rechnungsgrundlagen sowie die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik maßgebend“ sind.
Könnte also ein findiger Betriebsprüfer auf den Gedanken kommen, dass über die gesetzliche Regelung eine unklare Abfindungsklausel zum Tragen kommt und somit zumindest für Anwartschaften und laufende Leistungen unterhalb der Bagatellgrenze keine Rückstellung mehr gebildet werden darf?
Das wohl eher nicht. § 6a EStG fordert, dass die „Pensionszusage […] eindeutige Angaben zu Art, Form, Voraussetzungen und Höhe der in Aussicht gestellten künftigen Leistungen enthalten“ muss. Unklarheiten im Gesetz sind keine Unklarheiten der Pensionszusage.
Aufpassen muss man dort, wo man Regelungen zur Abfindung explizit in die Zusage geschrieben hat. Wenn hier Unklarheiten enthalten sind oder die Abfindungsklausel sogar eine Abfindung in Fällen vorsieht, in denen sie gesetzlich gar nicht zulässig ist, besteht die Gefahr, dass die Pensionsrückstellungen nicht anerkannt werden.
Wer also seine Pensionszusagen nach dem BMF-Schreiben vom 06.04.2005 noch nicht angepasst hat, sollte es nun tun. Normalerweise kann man zumindest bei Arbeitnehmern gut auf eine Abfindungsklausel verzichten, weil die gesetzliche Regelung ausreichend ist. So kann man dem Risiko der Nichtanerkennung der Pensionsrückstellungen am einfachsten begegnen.