Die Finanzverwaltung muss sich vom einheitlichen Pensionsalter verabschieden

Thomas Hagemann
Thomas Hagemann
Chefaktuar, Mercer Deutschland

14. Mai 2020

Am 20.11.2019 hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) in zwei nun veröffentlichten Entscheidungen mit der Übertragung von Versorgungszusagen auf einen Pensionsfonds beschäftigt, vgl. hierzu den Blogpost vom 04.05.2020.

In einer der beiden Entscheidungen (BFH-Urteil vom 20.11.2019, XI R 42/18) ging es am Rande noch um eine andere Frage, die die Praxis bei der Bewertung von Pensionsrückstellungen bewegt: Wenn ein Arbeitnehmer neben einer bereits bestehenden eine weitere Versorgungszusage erhält, muss dann bei der steuerlichen Bewertung der neuen Zusage das gleiche rechnungsmäßige Pensionsalter angesetzt werden wie bei der alten? Diese Auffassung vertritt jedenfalls die Finanzverwaltung.

Das führt in der Praxis immer wieder zu Beanstandungen durch die steuerliche Betriebsprüfung. Typische Konstellation: Es gibt eine arbeitgeberfinanzierte Altersversorgung, bei der als rechnungsmäßiges Pensionsalter die vertragliche Altersgrenze gewählt wurde, also beispielsweise das Alter 65. Daneben tritt nun eine Zusage aus Entgeltumwandlung mit einem abweichenden Pensionsalter, beispielsweise das Alter 62. Hier sagt die Finanzverwaltung, dass auch für die Entgeltumwandlungszusage das Alter 65 beizubehalten wäre.

In diesem Punkt hat die Finanzverwaltung nun verloren.

Der Bundesfinanzhof konnte sich nicht der Auffassung der Finanzverwaltung anschließen, dass es sich bei den verschiedenen Zusagen um eine einheitliche Versorgungszusage handelt, die mit dem gleichen rechnungsmäßigen Pensionsalter zu bewerten wäre. Wenn wie im vorliegenden Fall unterschiedliche Zusagen mit verschiedenen vertraglichen Altersgrenzen existieren, kommt es für jede Zusage auf die eigene Altersgrenze an.

Das ist zu begrüßen.

Allerdings musste sich der Bundesfinanzhof nicht mit der Frage beschäftigen, ob als rechnungsmäßiges Pensionsalter für die zweite Zusage auch die flexible Altersgrenze zulässig gewesen wäre. Im vorliegenden Fall hatte das Unternehmen die vertragliche Altersgrenze gewählt und für jede neue Zusage die jeweilige vertragliche Altersgrenze angesetzt.

Entscheidend ist aber die Auffassung des Bundesfinanzhofs, dass keine einheitliche Versorgungszusage vorliegt. Somit müsste auch das Wahlrecht des Unternehmens, als rechnungsmäßiges Pensionsalter die flexible Altersgrenze anzusetzen, für jede einzelne Zusage getrennt existieren.

Auswirkungen dürfte die Entscheidung auch auf die Bewertung anderer Leistungen haben, beispielsweise bei der Bewertung von Jubiläumsleistungen. Hier fordert die Finanzverwaltung die Übernahme des rechnungsmäßigen Pensionsalters einer gegebenenfalls bestehenden Versorgungszusage. Auch das dürfte nun nicht mehr haltbar sein.

Hoffen wir, dass die Finanzverwaltung nun kurzfristig in einem BMF-Schreiben klarstellt, dass die Wahl des rechnungsmäßigen Pensionsalters sowohl für verschiedene Versorgungszusagen als auch für Zusagen auf andere Leistungen für ein und dieselbe Person völlig unabhängig voneinander zulässig ist.

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