01. April 2020
Die Corona-Pandemie führt bei vielen Unternehmen zu dramatischen Umsatzeinbrüchen und der Anordnung von Kurzarbeit. In dieser Situation suchen Arbeitgeber auch im Bereich der bAV nach sinnvollen Maßnahmen finanzieller Entlastung.
1. Risikoschutz und Dienstobliegenheitserklärung
In keinem uns bekannten Pensionsplan bestehen Ausschlüsse für eine Pandemie, weder für Leistungen der Berufsunfähigkeit noch für Leistungen im Todesfall. Dies gilt insbesondere für alle uns bekannten Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Lebensversicherung und der besonderen Bedingungen der Berufsunfähigkeit und ebenso für die uns bekannten Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen.
Bietet der Pensionsplan neben einer reinen Altersversorgung auch Leistungen im Todesfall oder der Berufsunfähigkeit an, wird die Aufnahme neuer Mitarbeiter regelmäßig durch eine sogenannte Dienstobliegenheitserklärung vereinfacht. Dabei verzichtet der Versicherer auf eine individuelle Gesundheitsprüfung (Fragebogen) jedes neuen hinzukommenden Mitarbeiters, wenn eine Dienstobliegenheitserklärung durch den Arbeitgeber abgegeben werden kann.
Bitte beachten Sie als Arbeitgeber, wie diese Dienstobliegenheitserklärung genau formuliert ist. Eine falsch abgegebene Erklärung kann zum Verlust des Versicherungsschutzes führen. Können Sie also tatsächlich bestätigen, dass der Mitarbeiter bei Aufnahme in die Versorgung dienstfähig ist oder ggf. in den letzten 12 Monaten nicht mehr als 10 Tage erkrankt war? Wenn dies nicht der Fall ist, teilen Sie dem Versicherer dies mit und melden Sie den Mitarbeiter nach, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen.
2. Anpassungsmöglichkeiten in der versicherungsförmigen bAV
Aufgrund weggebrochener Umsätze kommt es in vielen Unternehmen zu Liquiditätsproblemen. Bei angeordneter Kurzarbeit schlägt dies gleichermaßen auf die Zahlungsfähigkeit der Beschäftigten durch. Treten Sie in Kontakt mit Ihrem Versicherer. Allgemeine Versicherungsbedingungen sehen oft schon die reguläre Möglichkeit einer Beitragsunterbrechung oder Beitragsstundung vor, viele Versicherungsunternehmen bieten darüber hinaus in der gegenwärtigen Situation aus Kulanz weitergehende Einzahlungspausen von bis zu 6 Monaten bzw. Stundungen von bis zu 24 Monaten an.
Falls ein Risikoschutz, d.h. Schutz gegen Berufsunfähigkeit bzw. Tod vorhanden ist, achten Sie darauf, dass dieser bei kurzfristigen Unterbrechungen dennoch aufrechterhalten wird. Gleichermaßen ist für den Fall, dass der Beitrag herabgesetzt wird zu prüfen, inwieweit damit auch eine entsprechende Verminderung oder gar ein Erlöschen des Risikoschutzes verbunden ist. Möglicherweise kann für eine Überbrückungszeit auch ausschließlich der Risikobeitrag gezahlt werden. Dieser wird regelmäßig mit 30 Prozent des Normalbeitrages zu erlangen sein.
Für Entgeltumwandlungsverträge bricht im Falle der Kurzarbeit jedenfalls ein Teil des umgewandelten Entgelts weg. Das Kurzarbeitergeld ist eine Lohnersatzleistung des Staates und steht daher nicht für Entgeltumwandlung zur Verfügung. Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz erst vor kurzem eingeführte verpflichtende Arbeitgeberzuschüsse vermindern sich entsprechend. In der versicherungsförmigen betrieblichen Altersversorgung existiert jedoch die Möglichkeit, dass Arbeitnehmer in sogenannten entgeltlosen Zeiten Beiträge selbst aus ihrem Nettoeinkommen in ihren Vertrag einzahlen. Wer sich dies angesichts des verminderten Nettogehalts leisten kann, sollte es auch in Erwägung ziehen, damit Beitragslücken nicht zu groß werden und erst recht, wenn damit ein Berufsunfähigkeits- bzw. Todesfallschutz aufrechterhalten bleiben kann.
Die unerwartete Verschlechterung der Einkommenssituation erlaubt zudem, laufende Entgeltumwandlungen (vorübergehend) einzustellen oder herabzusetzen. Die nichtgezahlten Beiträge werden dann entweder auf die Restlaufzeit verteilt – dadurch erhöht sich der Beitrag für die Zukunft – oder aber der Versicherungsvertrag wird um die nichtgezahlten Beiträge herabgesetzt. In allen Fällen lohnt es sich auch hier, über die Personalabteilung den Kontakt mit dem Versicherer zu suchen.
3. Folgen von Kurzarbeit klären
(lesen Sie hierzu auch ausführlich in Leiter-bAV vom 30.03.2020)
Bei angeordneter Kurzarbeit ist es essenziell, dass Arbeitgeber und Begünstigte rechtssicher deren ökonomische Auswirkungen beurteilen können. Dies gilt auch für erteilte Versorgungszusagen, egal ob sie noch klassisch an versorgungsfähige Dienstzeiten oder gar das Endgehalt anknüpfen oder modern beitragsorientiert ausgestaltet sind. Kurzarbeit hat eine vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen normalen Arbeitszeit zur Folge und in „Kurzarbeit Null“ wird die Arbeit vorübergehend sogar ganz eingestellt. In der Konsequenz reduziert sich der Vergütungsanspruch – das Kurzarbeitergeld als Sozialleistung füllt die entstandene Lücke nicht zu 100 Prozent auf.
Je nach Versorgungssystem und Gestaltung kann dies bezogen auf die Höhe der versprochenen betrieblichen Altersversorgung zu Einbußen führen. Bei endgehaltsabhängigen Zusagen und bei Zusagen, die auf das durchschnittliche Einkommen vor Ausscheiden abstellen, kann es zu besonders unbilligen Ergebnissen kommen. Dies gilt es in einem ersten Schritt genau zu analysieren. In einem zweiten Schritt sollten sinnvolle Anpassungen der Zusage da in Erwägung gezogen werden, wo die Einbrüche aufgrund (unverschuldet) entgeltfreier oder -geminderter Zeiten nicht tragbar sind.
4. Rentenanpassung
Im Zuge der zurzeit für viele Unternehmen nicht absehbaren wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie stellt sich bei der nach § 16 Abs. 1 BetrAVG vom Arbeitgeber alle drei Jahre vorzunehmenden Anpassungsprüfung der Betriebsrenten die Frage, inwieweit die aktuelle Unsicherheit bei der von der Rechtsprechung geforderten zukunftsbezogenen Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers Berücksichtigung finden kann. Diese Beurteilung erfolgt regelmäßig durch Betrachtung der Vergangenheits-, Gegenwarts- und geschätzten Zukunftsdaten. Realistische Überlegungen zur negativen künftigen Entwicklung gehören dabei aber notwendigerweise zur Prognose, gerade auch, wenn sie Abweichungen von der bisherigen Wirtschaftslage anzeigen. Dies dürfte in der aktuellen Situation bei vielen von der Krise hart getroffenen Unternehmen der Fall sein. Insgesamt hat immer eine sorgfältige Abwägung aller Umstände im Zuge der Anpassungsentscheidungen zu erfolgen.
Hilfreich kann hierbei auch ein Blick auf vergangene Krisen sein. Im Zuge der Finanzmarktkrise 2009 hat die Rechtsprechung Entscheidungen von Banken gebilligt, keine Rentenanpassungen vorzunehmen, wenn diese Verluste erwirtschaftet hatten oder sie sogar gezwungen waren, Mittel aus dem Finanzmarktstabilisierungsfonds in Anspruch zu nehmen. Hier war zum Anpassungsstichtag die Prognose gerechtfertigt, dass sich die Folgen der Finanzkrise als einmaliges Ereignis auch in der Zeit nach dem Anpassungsstichtag in einem einer Rentenanpassung entgegenstehenden Umfang auf ihre wirtschaftliche Lage auswirken würden.
5. Temporärer Eingriff in den Future Service
Ist der Versorgungsfall noch nicht eingetreten, so können Firmen temporär, ggf. aber auch dauerhaft in den Fällen Liquidität sparen, in denen die Versorgungsanwartschaften durch laufende Versicherungsbeiträge oder Dotierungen z. B. eines Fondsvermögens vollständig oder teilweise vorausfinanziert werden.
Sollen z. B. klassische Leistungszusagen durch Rückdeckungsversicherungen oder Dotierung eines Fondsvermögens mit CTA ausfinanziert werden, ohne dass deren Wertentwicklung sich auf die Leistungshöhe auswirkt, so können Zahlungsänderungen einseitig von der Firma umgesetzt werden. Wie bereits beschrieben, sollte die Beitragsaussetzung bei laufenden Rückdeckungsversicherungen allerdings vorher mit dem Versicherer abgestimmt werden.
Handelt es sich hingegen um beitragsorientierte Leistungszusagen, bei denen sich die Wertentwicklung der Finanzierung unmittelbar auf die arbeitsrechtlich zugesagte Leistungshöhe auswirkt, so sind Änderungen nur im Rahmen der vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten „Drei-Stufen-Theorie“ möglich. Möchte die Firma hier die zukünftige Dotierung für einen gewissen Zeitraum teilweise oder vollständig aussetzen, so bedarf es hierzu sogenannter „sachlich-proportionaler Gründe“. Nach gefestigter Rechtsprechung kommen als sachlich-proportionale Gründe „willkürfreie, nachvollziehbare und anerkennenswerte“ Gründe in Betracht. Sie können unter anderem auf einer wirtschaftlich ungünstigen Entwicklung des Unternehmens beruhen, auf die ein „vernünftiger Unternehmer“ reagieren würde, um sie zu beheben.
Unser Tipp: Schildern Sie – falls nicht bereits geschehen – Ihrem Betriebsrat Ihre spezielle Situation und den Beitrag, den die betriebliche Altersversorgung zur Verbesserung Ihrer Liquidität leisten kann. Die Corona-Pandemie führt zu einer Ausnahmesituation, die einen verständnisvollen Umgang unter den Betriebspartnern erwarten lässt. Womöglich kann Ihr Unternehmen die unterlassenen Dotierungen nach der Krise nachholen, eine Aussicht, die bei Arbeitnehmervertretern die Bereitschaft zu Kompromissen fördern kann.
Mercer unterstützt Sie gerne bei allen beschriebenen Fragestellungen!