RECHT UND GESETZ

Neues zum Versorgungsausgleich

 

16. Juni 2021

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Stefanie Beyer
Aktuarin Grundsatzfragen, Mercer Deutschland GmbH

 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in seinem Beschluss vom 24.03.2021 (XII ZB 230/16) erneut mit der externen Teilung im Rahmen des Versorgungsausgleichs beschäftigt und hierbei eine Reihe von praktischen Hinweisen gegeben, wie das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 26.05.2020 (1 BvL 5/18)  zu interpretieren ist. Gleichzeitig hat sich das Gericht zum anzuwendenden Rechnungszins beim Versorgungsausgleich geäußert und ist dabei von seiner bisherigen Rechtsprechung abgerückt. Das Bundesverfassungsgericht hatte bekanntlich die externe Teilung gemäß § 17 VersAusglG grundsätzlich für verfassungskonform erklärt, solange die Transferverluste durch den Wechsel des Versorgungsträgers 10 Prozent der Leistung nicht übersteigen. Die Feststellung, wie hoch die Transferverluste sind, obliegt den Familiengerichten.

Praktische Hinweise des BGH

Zunächst stellt der BGH in seinem Beschluss vom 24.03.2021 dar, dass nach seiner Auffassung bei der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Vergleichsberechnung zur Feststellung der Transferverluste im Rahmen der externen Teilung die Versorgungsleistungen zu bestimmen sind, die die ausgleichsberechtigte Person bei einer fiktiven internen Teilung erhalten würde. Damit ist nun klar, wie die Aussage des Bundesverfassungsgerichtes zu verstehen ist, dass die gleichen biometrischen Grundlagen bei der Vergleichsberechnung zu verwenden sind. Es ist das versicherungsmathematische Alter der ausgleichsberechtigten Person zu verwenden, Altersunterschiede zwischen den Ehepartnern werden also weiterhin berücksichtigt.

Die bisher teilweise in der Fachwelt vertretene Auffassung, dass eine weitere Auskunft zu einer fiktiven internen Teilung von einem Versorgungsträger, der sich explizit für eine externe Teilung entschieden hat, nicht verlangt werden kann, verneint der BGH. Zwar ist auch aus seiner Sicht eine zweite Auskunft nicht mit den Regelungen des Versorgungsausgleichsgesetzes vereinbar. Allerdings können die Familiengerichte ohne entsprechende Auskünfte keine sachgerechte Prüfung vornehmen. Daher bleibt ihnen nur der Weg, die Hilfe von Sachverständigen in Anspruch zu nehmen oder die Auskünfte beim Versorgungsträger anzufordern. Nach Auffassung des BGH wäre der zweite Weg die vom Gesetzgeber bevorzugte Lösung und wird von § 220 Abs. 4 Satz 1 FamFG iVm § 5 Abs. 3 VersAusglG auch ausreichend rechtlich flankiert. Der Versorgungsträger muss eine solche weitere Auskunft aber erst nach Aufforderung durch das Familiengericht vorlegen.

Weiterhin weist der BGH darauf hin, dass es für eine verfassungskonforme Durchführung der externen Teilung ausreichend ist, wenn einer der auswählbaren externen Versorgungsträger (gesetzliche Rentenversicherung, Versorgungsausgleichskasse oder ein gewählter Zielversorgungsträger) eine ausreichende Versorgung im Vergleich zur internen Teilung verspricht. Es ist nicht notwendig, dass der gewählte Zielversorgungsträger der ausgleichsberechtigten Person eine ausreichende Versorgung zusagt.

Solange die ausgleichsberechtigte Person noch keine Vollrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht, ist derzeit die gesetzliche Rentenversicherung aus Zielversorgungsträger zu präferieren. Anders als viele andere externe Versorgungsträger gewährt die gesetzliche Rentenversicherung eine Vollversorgung, also neben einer Altersrente werden auch eine Invaliden- und Hinterbliebenenleistungen zugesagt. Zusätzlich hat auch der BGH anerkannt, dass die gesetzliche Rente einer Dynamisierung in der Anwartschaftsphase unterliegt und dass diese Dynamik auch bei der Erstellung der Vergleichsberechnung berücksichtigt werden darf. Als Maßstab für diese Dynamik nennt das Gericht den Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung, der auch eine Schätzung über den jährlichen Anstieg der gesetzlichen Renten beinhaltet. 

Liegt bspw. der Rentenbeginn der ausgleichsberechtigten Person erst im 2. Halbjahr des Jahres 2030, so ist eine Steigerung der gesetzlichen Rente von rd. 22 Prozent zu berücksichtigen. Dies führt in den meisten aktuellen Fällen dazu, dass der Nachweis der Verfassungskonformität der externen Teilung relativ leicht geführt werden kann, solange die ausgleichsberechtigte Person noch keine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht. 

Für weitere technische Details, wie eine Vergleichsberechnung aussehen kann, bspw. wenn der Quell- und der Zielversorgungsträger nicht dasselbe Leistungsspektrum haben oder der Quellversorgungsträger nur eine Kapitalleistung gewährt, verweist der BGH explizit auf den Ergebnisbericht der Deutschen Aktuarvereinigung  mit dem Titel „Aktuarielle Vorschläge zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur externen Teilung im Versorgungsausgleich in der Praxis“. 

Anzuwendender Rechnungszins – Der 10-Jahres-Durchschnittszeitraum ist nun auch beim Versorgungsausgleich zulässig

Im Beschluss vom 24.03.2021 äußert sich der BGH auch noch einmal ausführlich zum anzuwendenden Rechnungszins. 

Im März 2016 wurde der Durchschnittszeitraum für die Ermittlung des Rechnungszinssatzes nach § 253 Abs. 2 Satz 2 HGB von sieben auf zehn Jahre verlängert. Damit sollten die Bilanzen der Unternehmen vom immer schneller sinkenden HGB-Rechnungszinssatz entlastet werden. Der BGH hat mit Beschluss vom 24.08.2016 (XII ZB 84/13)  entschieden, dass diese Verlängerung des Zeitraums nicht für den Versorgungsausgleich gelten soll. Hier sollte es beim 7-Jahres-Durchschnittszeitraum bleiben.

Nachdem nun die Transferverluste bei der externen Teilung in Höhe von mehr als 10 Prozent im Vergleich zur internen Teilung gegebenenfalls über eine Erhöhung des Ausgleichswertes kompensiert werden müssen, sieht der BGH keinen Grund mehr, seine Rechtsprechung zum Rechnungszins aufrechtzuerhalten. Zukünftig ist wieder die Verwendung des 10-Jahres-Durchschnittszinssatzes zulässig. Damit können Unternehmen bei einer externen Teilung künftig niedrigere Ausgleichswerte ansetzen, solange dies nicht den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen widerspricht und Transferverluste im Rahmen bleiben.

Gesetz zur Änderung des Versorgungsausgleichsrechts

Das Gesetz zur Änderung des Versorgungsausgleichsrechts wurde am 21.05.2021 im Bundesanzeiger veröffentlicht und tritt zum 01.08.2021 in Kraft. Gegenüber dem Regierungsentwurf haben sich keine Änderungen ergeben. Diesen hatten wir im Blogbeitrag  vom 21.12.2020 bereits ausführlich gewürdigt und dem ist leider auch nichts hinzuzufügen.

Was sollten Unternehmen tun?

Wir empfehlen Unternehmen, die den Versorgungsausgleich über eine externe Teilung durchführen, sich nun erneut mit ihren Teilungsregeln zu beschäftigen und hier vor allem zu prüfen, welcher Rechnungszins angesetzt werden soll. Zwar wird bei einem Anstieg des Zinsniveaus der 7-Jahres-Durchschnittszins den 10-Jahres-Durchschnittszins mittelfristig übersteigen. Bis es aber so weit ist, ist eine Anwendung des 10-Jahres-Durchschnittszinses empfehlenswert. Auch vor dem Hintergrund, dass nach der aktuellen Gesetzesänderung alle Anrechte bei einem Versorgungsträger, die extern geteilt werden sollen, zusammengerechnet werden müssen, kann sich ein höherer Rechnungszins als vorteilhaft erweisen. 

Ob die Familiengerichte die Versorgungsträger künftig vermehrt auffordern, eine zweite Auskunft zur fiktiven internen Teilung vorzulegen, bleibt abzuwarten. Es ist aber zu begrüßen, dass der BGH hier klar Position bezogen hat und die Zweifelsfragen zeitnah nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts behandelt hat.

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