INTERNATIONALE RECHNUNGSLEGUNG

Pensionsverpflichtungen im IFRS-Halbjahresabschluss 2020

 

22. Juni 2020

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Thomas Hagemann
Chefaktuar, Mercer Deutschland
Shot of a group of colleagues using a laptop together at work
„Pensionsverpflichtungen werden für den Halbjahresabschluss 2020 sicher nicht das größte Problem darstellen.“

Die Coronakrise hinterlässt ihre Spuren auch in der Rechnungslegung. Schon in den Geschäftsberichten für das Jahr 2019 haben die Unternehmen über die Auswirkungen von Covid-19 berichtet. Mit Pressemitteilung vom 20.05.2020  hat die europäische Kapitalmarktaufsicht ESMA ihre Anforderungen an die Berichterstattung über die Auswirkungen der Pandemie in den Halbjahresabschlüssen 2020 veröffentlicht.

Für Pensionsverpflichtungen ergeben sich unmittelbar hieraus keine besonderen Anforderungen. Von besonderer Bedeutung sind die Bewertungsprämissen und bei ihrer Festsetzung werden sich die Unternehmen auch Gedanken darüber machen müssen, ob sich hieraus weitere Anhangangaben ergeben. Sehen wir uns also die Bewertungsprämissen für die Bewertung von Pensionsverpflichtungen an.

Besonders im Fokus liegt der Rechnungszins. Er ist nach IAS 19 auf der Basis hochwertiger Unternehmensanleihen festzulegen. Während der dynamischen Entwicklung der Pandemie im Frühjahr hat es erhebliche Marktturbulenzen gegeben, die sich über die Kursentwicklung von Unternehmensanleihen auch auf den Rechnungszins ausgewirkt haben.

Über die Entwicklung des Zinssatzes nach der Mercer Yield Curve im ersten Quartal 2020 haben wir hier bereits berichtet. Dramatisch war insbesondere der März, in dem für die Duration von 15 Jahren zwischen dem Höchst- und dem Tiefststand fast 1,2 Prozentpunkte lagen (siehe Grafik). 

Der deutliche Anstieg im März wurde im April um 0,3 Prozentpunkte korrigiert. Seitdem hat sich der Zins nicht mehr wesentlich verändert. Ende Mai lagen wir bei 1,53 Prozent und damit nur 0,23 Prozentpunkte höher als zum Jahresende 2019. In der ersten Junihälfte haben wir uns von diesem Wert nicht mehr als fünf Basispunkte entfernt. Für den Halbjahresabschluss ist nicht mit neuen Ausschlägen zu rechnen, wenngleich man derzeit natürlich nicht vor Überraschungen gefeit ist.

 

 

Bei Rentenzusagen ist eine weitere wichtige Bewertungsprämisse die Inflationserwartung, die sich auf die Rentenanpassungen auswirkt. Schaut man auf die Inflationserwartungen des Marktes, die sich aus der Wertentwicklung inflationsabhängiger Wertpapiere ableiten lässt, so liegt man schon deutlich unterhalb von einem Prozent pro Jahr. Am oberen Ende liegt das Inflationsziel der europäischen Zentralbank von knapp unter zwei Prozent. Innerhalb dieser Bandbreite wird man sich bewegen, wobei viele Unternehmen ihre bisherige Inflationserwartung absenken könnten. Für die erwartete Rentenanpassung kann unter Umständen noch ein weiterer Abschlag genommen werden, beispielsweise wenn damit zu rechnen ist, dass immer wieder einzelne Anpassungen aufgrund einer schlechten wirtschaftlichen Lage unterbleiben werden.

Eine besondere Bedeutung angesichts der Pandemie spielen die biometrischen Rechnungsgrundlagen, verkürzt ausgedrückt die Sterbetafeln. Covid-19 hat in Deutschland bisher zu knapp 9.000 gemeldeten Todesfällen geführt. Spannend war die Frage, ob es eine hohe Dunkelziffer gibt, beispielsweise weil Menschen zu Hause sterben und die Todesursache nicht korrekt zugeordnet wurde. Entsprechende Untersuchungen zur sogenannten Übersterblichkeit haben das nicht bestätigt. Die Zahl der gemeldeten Todesfälle ist geringer als die Zahl der Todesfälle während der Grippewellen der Jahre 2017 und 2018. Sie gibt keinen Anlass, die Sterbewahrscheinlichkeiten anzupassen. (Siehe hierzu auch unseren ausführlichen Artikel auf LeiterbAV.)

Nicht untersucht wurden bisher Auswirkungen der Pandemie auf Invalidisierungswahrscheinlichkeiten. Zwar wird auch von langfristigen gesundheitlichen Folgen berichtet, Anhaltspunkte für langfristige Auswirkungen auf die Invalidisierung sind aber bisher nicht erkennbar.

Somit kann es für den Halbjahresabschluss bei der Anwendung der bisherigen Tafeln (in der Regel Heubeck-Richttafeln 2018 G) bleiben. Eine gesonderte Berichterstattung im Anhang ist nicht notwendig.

Alles in allem kann man festhalten: Die Pensionsverpflichtungen werden für den Halbjahresabschluss 2020 sicher nicht das größte Problem darstellen.

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