"Bei negativen Zinssätzen ist der Verpflichtungswert höher als der Nominalwert der zugesagten Leistungen."
Seit Jahresanfang ist der Rechnungszins erneut im Sinkflug. Während im Jahr 2018 ein zwar niedriges, aber relativ stabiles Zinsniveau zu beobachten war, ist der Rechnungszins in diesem Jahr bereits in vier von sechs Monaten gesunken. Dramatisch ist das Ausmaß der Entwicklung: Der Rechnungszins für IAS 19 nach der Mercer Yield Curve ist seit Jahresbeginn für alle Durationen um rund 0,7 Prozentpunkte gefallen. Für eine Duration von 15 Jahren beträgt er nur noch 1,32 %. Für kürzere Laufzeiten, die beispielsweise bei Altersteilzeitverpflichtungen zum Einsatz kommen können, nähern wir uns bedrohlich der Linie von 0 %.
Bereits als die Entwicklung weniger drastisch war, wurde die Frage diskutiert, ob der Rechnungszins nach IAS 19 auch negativ werden kann. Ja, das kann er! Der Standard IAS 19 ist in diesem Punkt eindeutig. Der Rechnungszins orientiert sich an hochwertigen Unternehmensanleihen, eine Begrenzung auf 0 % ist nicht vorgesehen.
Bisweilen wird das Argument angeführt, der Unternehmer könne das Geld ja auch in bar vorhalten und hätte dann keine Einbußen durch einen negativen Zins hinzunehmen. Diese Möglichkeit einer Alternativanlage ist für die Festlegung des Rechnungszinssatzes allerdings unbedeutend. Abgesehen davon, dass die Sicherung von Bargeldbeständen ebenfalls Geld kostet und somit zu einem Verzehr führen würde, spielen alternative Anlagemöglichkeiten in IAS 19 keine Rolle.
Das Ergebnis ist natürlich kurios: Wenn ein Mitarbeiter in Altersteilzeit noch Leistungen von insgesamt 100.000 € zu erwarten hat, könnte die DBO beispielsweise 101.000 € betragen.
Ob wir das tatsächlich erleben werden, ist fraglich. Solange es Bargeld gibt, dürfte das Zinsniveau allenfalls nur leicht unter die Linie von 0 % fallen. Andererseits sind negative Zinssätze in der Schweiz schon gesichtet worden.
Auch für den HGB-Rechnungszins hat die Entwicklung des allgemeinen Zinsniveaus Auswirkungen, wenngleich sie wegen der Durchschnittsbildung über zehn Jahre deutlich geringer ausfallen. Bei unserer Prognose des Rechnungszinssatzes zum Jahresende, für die wir in der Zukunft ein gleichbleibendes Zinsniveau unterstellen, mussten wir seit Jahresbeginn bereits Korrekturen von immerhin 0,07 Prozentpunkten vornehmen.
Aber eins lehrt uns die aktuelle Entwicklung in jedem Fall: Wir sollten bescheiden sein mit unseren Prognosen. Kaum jemand hätte vor fünf Jahren damit gerechnet, dass die Niedrigzinsphase so lange anhält. Kaum jemand hätte Anfang des Jahres damit gerechnet, dass der Zins erneut so drastisch sinkt. Und jedem sollte jetzt klar sein, dass wir bis zum Jahresende alles erleben können…