INTERNATIONALE RECHNUNGSLEGUNG

Dritte Agenda-Konsultation des IAS-Boards – die Pensionsthemen

 

8. Juni 2021

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Thomas Hagemann
Chefaktuar, Mercer Deutschland
„Um spätere Überraschungen zu vermeiden, sollten die Unternehmen die dritte Agenda-Konsultation kommentieren.“

 

Ende März hat das IAS-Board mit coronabedingter Verzögerung die dritte Agenda-Konsultation  veröffentlicht. Darin werden die Themen vorgeschlagen, mit denen sich das IAS-Board in den nächsten fünf Jahren beschäftigen wird. Einige Themen betreffen unmittelbar auch die Pensionsverpflichtungen, andere sind übergreifend und haben zumindest mittelbar Auswirkungen auf Pensionsverpflichtungen. Sehen wir uns die Themen einmal an.

Bereits offene Projekte

Im Anhang A werden die Projekte beschrieben, die das IAS-Board derzeit auf der Agenda hat. Über diese Themen haben wir bereits in einem Blogbeitrag vom 19.11.2020  berichtet.

Auf Seite 25 findet sich das Thema „Pension Benefits that Depend on Asset Returns“. Hier ist im Moment eine eng umrissene Änderung des Standards IAS 19 geplant, mit der der erwartete Ertrag bei der Bewertung wertpapiergebundener Versorgungszusagen auf den Rechnungszins begrenzt werden soll.

Auf Seite 27 wird das Thema „Disclosure Initiative — Targeted Standards-level Review of Disclosures” dargestellt. Hierzu wurde ebenfalls im März ein Exposure Draft veröffentlicht, vgl. unseren Blogbeitrag vom 08.04.2021.

Und schließlich findet sich auf Seite 28 das Thema „Availability of a Refund“, das die Änderung an IFRIC 14 beinhaltet, die eigentlich mit der letzten Änderung des Standards zu den Sondereffekten umgesetzt werden sollte, dann aber auf Eis gelegt wurde.

Neue Themen für Pensionsverpflichtungen

Auf Seite 38 des Konsultationsdokuments wird IAS 19 explizit angesprochen. Als kritische Themen in IAS 19 werden die Herleitung des Rechnungszinssatzes für den Fall, dass kein ausreichend tiefer Markt vorliegt, und die Bewertung von hybriden Plänen, also Plänen, die sowohl Eigenschaften von Defined Contribution als auch von Defined Benefit beinhalten, angeführt.

Daraus resultieren drei mögliche Projekte: Das IAS-Board könnte

  1. die Herleitung des Rechnungszinssatzes für nicht ausreichend tiefe Märkte überprüfen,
  2. Rechnungslegungserfordernisse für hybride Pläne entwickeln,
  3. den Standard IAS 19 insgesamt auf den Prüfstand stellen.

Übergreifende Themen mit Auswirkungen auf Pensionsverpflichtungen

Der Rechnungszins taucht nicht nur unmittelbar bei Pensionsverpflichtungen auf, sondern spielt auch als übergreifendes Thema eine Rolle. Hierzu gibt es einen eigenen Abschnitt auf Seite 37. In verschiedenen Standards gibt es unterschiedliche Definitionen für den Rechnungszins, die untereinander nicht zwingend konsistent sind. Hierzu hat es bereits ein Forschungsprojekt gegeben. Im Folgenden könnte die Herleitung der Zinssätze vereinheitlicht werden.

Hiermit hängt die Frage nach negativen Zinssätzen zusammen, die auf Seite 46 angeführt wird. Dabei stellt sich auch die in Deutschland schon häufiger diskutierte Frage, ob die Abzinsung mit einem negativen Rechnungszins überhaupt sinnvoll ist. IAS 19 gibt derzeit keine Möglichkeit, einen negativen Rechnungszins auf 0 % anzuheben. Daneben stellt sich die standardübergreifende Frage, ob negative Zinserträge nicht eigentlich Zinsaufwendungen und umgekehrt sind. 

Unsicherheiten gibt es auch bei der Zwischenberichterstattung, die ab Seite 45 dargestellt wird. Hier werden Pensionsverpflichtungen sogar explizit erwähnt: Ist eine Neubewertung der DBO zum Stichtag des Quartals- oder Halbjahresberichtes notwendig?

Und schließlich geht es ab Seite 48 um ein mögliches Recycling. Beim Recycling werden Beträge, die in der Vergangenheit erfolgsneutral im OCI erfasst wurden, nachträglich in der Gewinn- und Verlustrechnung berücksichtigt. Bei bestimmten Sachverhalten sehen die IFRS ein solches Recycling vor. Bei Pensionsverpflichtungen ist es dagegen (anders als in US GAAP) seit 2011 explizit ausgeschlossen. Es bestehen also möglicherweise Inkonsistenzen zwischen den Standards, die bereinigt werden könnten.

Die Bedeutung der Themen

Viele dieser Themen mögen im Hinblick auf die Konsistenz und wissenschaftliche Exaktheit von Jahresabschlüssen interessant sein. Für die Praxis der Rechnungslegung von Pensionsverpflichtungen in Deutschland sind dagegen wenig Verbesserungen zu erwarten.

Die Überarbeitung der Anhangangaben ist ohnehin bereits weit fortgeschritten und wäre separat zu kommentieren. Bei den anderen Themen scheint es aus deutscher Sicht wenig vorteilhaft, sie auf die Agenda zu nehmen.

Für wertpapiergebundene/hybride Pläne in Deutschland gibt es eine allgemein anerkannte Bewertungsmethode, die einfach anzuwenden ist und den Verpflichtungsumfang angemessen widerspiegelt. Vorschläge der EFRAG vor zwei Jahren ließen die Befürchtung aufkommen, dass die Bewertung extrem kompliziert werden könnte (vgl. Blogbeitrag vom 13.08.2019). Diese Vorschläge sind zum Glück vom Tisch, aber aus deutscher Sicht wäre es das Beste, wenn es hierzu keine weitere Überarbeitung des Standards gäbe.

Die Überarbeitung von IFRIC 14 würde insbesondere in UK zu vielen zusätzlichen Rückstellungen führen, was bei der letzten Standardänderung zu Sondereffekten auch dazu geführt hat, dass Unternehmen dagegen protestiert haben und die Änderungen an IFRIC 14 aufgeschoben wurden. Sie sollten nun endgültig begraben werden.

Eine grundlegende Überarbeitung der Herleitung des Rechnungszinssatzes in IAS 19 – sei es begrenzt auf IAS 19 oder als übergreifendes Projekt – könnte die Vergleichbarkeit von Jahresabschlüssen verbessern. Derzeit ist die Bandbreite der verwendeten Zinssätze sehr groß, sodass die Pensionsrückstellungen verschiedener Unternehmen nur schwierig zu vergleichen sind. Insbesondere die Extrapolation des Zinssatzes für lange Laufzeiten ist Ursache dieser Unterschiede, sodass genauere Vorgaben hilfreich sein könnten. Aus Sicht der Unternehmen besteht allerdings das Risiko, dass die Zinssätze im Ergebnis niedriger werden und die Verpflichtungen damit ansteigen.

Das Recycling von erfolgsneutral erfassten Beträgen ist ein sinnvoller Ansatz. Problematisch ist aber, dass wir bei Pensionsverpflichtungen nicht davon ausgehen können, dass sich Neubewertungen im Zeitablauf im Wesentlichen ausgleichen. Da beim Planvermögen eine Rendite in Höhe des Rechnungszinssatzes erfolgswirksam und die darüberhinausgehende Rendite erfolgsneutral erfasst wird, entstehen hier systematisch Gewinne. Umgekehrt entstehen bei stetig sinkenden Zinsen systematisch Verluste aus der Verpflichtung. Ein Recycling solcher systematischen Effekte würde am Ende nichts anderes bedeuten, als dass diese Effekte eben doch erfolgswirksam erfasst würden – wenn auch mit zeitlicher Verzögerung.

Was sollten Unternehmen tun?

Die Agenda-Konsultation beinhaltet neben den angeführten viele weitere Themen, die die Pensionsverpflichtungen nicht betreffen. Aus Sicht der Unternehmen ist es wichtig, dass sich das IAS-Board mit den richtigen Themen beschäftigt. Manche Themen beinhalten Risiken für die Unternehmen und insoweit ist es erwägenswert, bereits jetzt darauf hinzuwirken, dass diese Themen möglichst gar nicht auf die Agenda kommen.

Das heißt, die Unternehmen sollten die dritte Agenda-Konsultation kommentieren, um später keine unliebsamen Überraschungen zu erleben.

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