„Die Entwicklung ist dramatisch und wie sie weitergeht, ist völlig ungewiss.“
Das letzte Jahr war bereits von einer Berg- und Talfahrt des Rechnungszinssatzes geprägt. Vereinfacht zusammengefasst ist der Zins nach IAS 19 in den ersten acht Monaten des Jahres 2019 um deutlich mehr als einen Prozentpunkt gesunken, um in den letzten vier Monaten des Jahres um etwa einen halben Prozentpunkt zu steigen.
Zum Jahreswechsel nun trat der neue Coronavirus, SARS-CoV-2, auf den Plan, der die COVID-19-Pandemie ausgelöst hat. So sitzen wir nun alle im Homeoffice und müssen uns auf etwas gefasst machen.
In den ersten zwei Monaten des aktuellen Jahres ist das Zinsniveau zunächst deutlich gesunken. So betrug der Rechnungszins nach der Mercer Yield Curve für IAS 19 bei einer Duration von 15 Jahren Ende 2019 1,30 Prozent. Ende Januar lag er bei nur noch 0,99 Prozent, Ende Februar bei 0,86 Prozent.
Diese Entwicklung in den beiden ersten Monaten ist leicht erklärbar. Die gesamtwirtschaftlichen Aussichten haben sich durch COVID-19 kontinuierlich verschlechtert, sodass Aktienkurse gesunken und die Kurse festverzinslicher Wertpapiere gestiegen sind. Dadurch ist die Rendite der festverzinslichen Wertpapiere und eben auch der Unternehmensanleihen, die für die Rechnungszinsermittlung nach IAS 19 maßgeblich sind, gesunken. Die Kapitalanleger verwenden hier gerne das Bild des sicheren Hafens.
Im März dagegen, insbesondere in den letzten drei Wochen, als klar wurde, welches Ausmaß diese Krise haben wird, war es vorbei mit dem sicheren Hafen. Die Renditen für Staatsanleihen sind wieder leicht gestiegen, aber vor allem Unternehmensanleihen werden als deutlich riskantere Anlage gesehen, sodass die Kurse der Unternehmensanleihen gesunken sind. Die Renditen sind dadurch gestiegen.
Was heißt das in Zahlen? Während der Rechnungszins nach der Mercer Yield Curve für IAS 19 bei einer Duration von 15 Jahren Ende Februar bei 0,86 Prozent lag (siehe oben), lag er in an einzelnen Tagen Ende März um mehr als einen Prozentpunkt höher. Zuletzt, am 31.03.2020, betrug er 1,76 Prozent.
Eine ähnliche Entwicklung hatten wir vor zwölf Jahren aufgrund der Finanzkrise. Wir erinnern uns: Seitdem war der Zins auf Talfahrt. Im Oktober 2008 hatte die Mercer Yield Curve für IAS 19 bei einer Duration von 15 Jahren den Höchststand von 6,43 Prozent erreicht. Als wir sechs Jahre später erstmalig unter 2 Prozent gerutscht sind, sprachen wir bereits lange von einer Niedrigzinsphase.
Nun könnten wir die Grenze von 2 Prozent erneut überschreiten, diesmal von unten. Die Entwicklung ist dramatisch, und wie sie weitergeht, ist völlig ungewiss. Gegenläufige Entwicklungen kann es geben, wenn Unternehmen das nach IAS 19 maßgebliche Rating AA verlieren und somit ihre Anleihen nicht mehr in die Herleitung des Rechnungszinssatzes einfließen. Auch ein zu geringes Handelsvolumen könnte die Zusammensetzung des Portfolios für die Zinsermittlung verändern.
Erste Maßnahmen wurden bereits ergriffen: Beispielsweise hat die Europäische Zentralbank erneut beschlossen, in großem Stil Anleihen zu kaufen und die Bundesregierung hat gerade ein großes Hilfspaket für die Wirtschaft beschlossen. Wie die Unternehmen die Krise überstehen, welche Maßnahmen die Regierungen und Notenbanken noch ergreifen werden und welche Auswirkungen das auf die zukünftige Zinsentwicklung hat, kann aber im Moment noch niemand absehen.