18. Januar 2021
Die BaFin hat kurz vor Jahresende zwei Lücken in der Aufsichtspraxis geschlossen, die aufgrund der EbAV-II-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2016/2341 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV)) entstanden sind. Diese wurde im Dezember 2016 veröffentlicht. Seitdem sind europaweit einheitliche (Mindest-) Anforderungen an die Governance- und Informationspflichten von EbAV eingeführt worden. Sie verpflichten EbAV u.a. regelmäßig eine eigene Risikobeurteilung vorzunehmen und zu dokumentieren.
Im Dezember 2018 wurden die entsprechenden Regelungen im deutschen Aufsichtsrecht verankert (Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/2341 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) (Neufassung)).
Nunmehr hat die BaFin zwei Jahre später – im Dezember 2020 – die Anforderungen der Aufsichtspraxis an die Governance und die eigene Risikobeurteilung veröffentlicht.
Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation
Das Rundschreiben 08/2020 (VA) - Aufsichtsrechtliche Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (MaGo für EbAV) legt die Vorschriften des VAG zur Geschäftsorganisation verbindlich aus und stellt damit eine konsistente Anwendung der Regelungen sicher. Es schließt inhaltlich auch die Lücke, die durch die formale Aufhebung der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk VA) im Jahr 2016 im Zuge der Umsetzung von Solvency II im VAG entstanden ist. Während die MaGo für Versicherungsunternehmen (d.h. alle unter Solvency II fallenden Unternehmen) schon im Januar 2017 konkretisiert und umgesetzt wurden, hatte die BaFin im März 2020 die MaGo für kleine Versicherungsunternehmen veröffentlicht. Nun sind also mit den MaGo für EbAV auch diese beaufsichtigten Einrichtungen erfasst.
In dem Rundschreiben werden die Mindestanforderungen aller wesentlichen Elemente einer angemessenen Geschäftsorganisation dargestellt. In den Abschnitten Allgemeine Anforderungen an die Geschäftsorganisation, Schlüsselfunktionen, Risikomanagementsystem, Internes Kontrollsystem, Ausgliederung, und Notfallmanagement konkretisiert die BaFin diese Anforderungen. In den einleitenden Kapiteln erläutert die Aufsichtsbehörde das Proportionalitätsprinzip, die Gesamtverantwortung der Geschäftsleitung, wesentliche Risiken und die Risikokultur.
Die finale Fassung stimmt im Wesentlichen mit der Konsultationsfassung überein. Im endgültigen Rundschreiben wird nun herausgestellt, dass es prinzipienbasiert konzeptioniert ist. Im Rahmen der einzuhaltenden Mindestanforderungen und Berücksichtigung des Proportionalitätsprinzips können die EbAV also selbst entscheiden, welche konkrete Ausgestaltung ihrer Geschäftsorganisation sie für angemessen erachten. Zudem wurde im Rahmen der Risikosteuerung konkretisiert, dass die zur Bedeckung der Solvenzkapitalanforderung erforderlichen Eigenmittel der EbAV nicht als Risikodeckungsmasse eingesetzt werden können. In einem neuen Kapitel räumt die BaFin den EbAV eine Übergangsregelung für bestehende Ausgliederungsvereinbarungen und Ausgliederungsleitlinien ein. Die BaFin erwartet jedoch, dass die EbAV ggf. erforderliche Angleichungen spätestens innerhalb von drei Jahren ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Rundschreibens vornehmen
Mit dem Rundschreiben hat die BaFin zugleich ein Begleitschreiben veröffentlicht. Darin stellt die BaFin klar, dass das Rundschreiben am 01.06.2021 in Kraft tritt, jedoch erwartet, dass sich die EbAV schon jetzt mit den Inhalten auseinandersetzen und die notwendigen Anpassungen aktiv umsetzen. Es ist allerdings davon auszugehen, dass sich die meisten EbAV schon intensiv mit den MaGo für EbAV auseinandersetzen, da die aufsichtsrechtlichen Vorschriften des VAG sowie die MaGo für kleine Versicherungsunternehmen schon in Kraft und Entwürfe der MaGo für EbAV seit dem Sommer 2020 zur Konsultation veröffentlicht sind.
Eigene Risikobeurteilung
Das Rundschreiben 09/2020 - Aufsichtsrechtliche Mindestanforderungen an die eigene Risikobeurteilung (ERB) von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung legt die Vorschriften des § 234d VAG verbindlich aus. Die eigene Risikobeurteilung wurde mit der EbAV-II-Richtlinie eingeführt. Sie soll zum einen die Geschäftsleitung der EbAV umfassend über die Risiken der EbAV in Kenntnis setzen und ihr die Möglichkeit bieten, darauf sachgerecht zu reagieren. Zum anderen dient sie der Aufsicht als zusätzliches Informations- und Kontrollinstrument.
Das Rundschreiben konkretisiert unter Beachtung von Proportionalitätsaspekten die Anforderungen an die Dokumentation der ERB, die Frequenz bzw. die Auslöser für eine nichtregelmäßige (außerplanmäßige) Beurteilung sowie die Informationspflichten.
Die ERB ist ein zeitlich abgegrenzter Bestandteil des Risikomanagementsystems und in diesem zu integrieren. Inhaltliche Überschneidungen der ERB und des Risikomanagementsystems können idealerweise Synergieeffekte befördern. Der gesamte Finanzierungsbedarf der EbAV ist zu beurteilen. Bei der Beurteilung der Risiken (auch die aus Sicht der Versorgungsberechtigten) und des Finanzierungsbedarfs können u.a. Stresstests und Szenarioanalysen verwendet werden. Darüber hinaus ist ein vorausschauender Betrachtungszeitraum von fünf Jahren zu umfassen sowie die Wirksamkeit des Risikomanagementsystems und weitere Aspekte zu beurteilen. Die ERB soll im Wesentlichen bestehende und neue Prozesse zusammenführen und Steuerungsimpulse für das Risikomanagementsystem geben.
Der Inhalt des finalen Rundschreibens entspricht im Wesentlichen der Konsultationsfassung.
Das Rundschreiben zur ERB von EbAV tritt mit seiner Veröffentlichung in Kraft. Dies bedeutet konkret, dass EbAV mit einer Bilanzsumme von mehr als 1 Mrd. EUR (per 31.12.2019) sowie Pensionskassen unter intensivierter Aufsicht bzw. mit zusätzlichen Berichtspflichten zum Umgang mit der Niedrigzinsphase die erste ERB per 31.12.2020 vornehmen und spätestens bis zum 30.09.2020 abschließen. Alle anderen EbAV haben ein Jahr mehr Zeit zur Umsetzung.
Fazit
Mit den beiden Rundschreiben zu den Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation und den Mindestanforderungen an die eigene Risikobeurteilung schließt die BaFin eine schon länger bestehende Lücke in der Aufsichtspraxis. Damit ist die Umsetzung der EbAV-II Richtlinie in Aufsichtsrecht und -praxis weitgehend abgeschlossen. Für die EbAV ist nun endgültig die Zeit angebrochen, die neuen und umfangreichen Anforderungen umzusetzen und ihnen inhaltlich als auch zeitlich gerecht zu werden.
An diesem Beitrag hat Henning Tewes mitgewirkt.