DEUTSCHE RECHNUNGSLEGUNG

Aktuelle Änderungen in Handels- und Steuerbilanz

26. Mai 2022

ALT
Thomas Hagemann
Chefaktuar, Mercer Deutschland

 

Grundlegende Reformen in der Rechnungslegung stehen derzeit nicht an. In der internationalen Rechnungslegung wird in diesem Jahr über geänderte Anhangangaben entschieden, aber das spielt für 2022 noch keine Rolle. Für den handelsrechtlichen Jahresabschluss und die Steuerbilanz wünschen sich alle eine Änderung beim Rechnungszins, aber auch hier ist dieses Jahr nichts zu erwarten. Es gibt allerdings zwei Änderungen, die zunächst unscheinbar daherkommen, aber nicht unterschätzt werden sollten.

Handelsbilanz: Neue Bewertung rückgedeckter Versorgungszusagen

Der Rechnungslegungshinweis IDW RH FAB 1.021 ist Mitte 2021 erschienen und daher kein neues Thema. Wir haben bereits im letzten Jahr darüber berichtet (Beitrag vom 10.08.2021: „Neue Bewertung von Rückdeckungsversicherungen in der Handelsbilanz“ ).

Kurz gesagt fordert das IDW, dass Rückdeckungsversicherungen und Versorgungszusagen insoweit kongruent bewertet werden, wie ihre Zahlungsströme einander entsprechen. Das heißt, auch wenn Kongruenz nur teilweise und in schwankendem Umfang vorliegt, erfolgt insoweit eine korrespondierende Bewertung.

An der Auffassung des IDW gibt es durchaus Kritik, auch von unserer Seite (Thomas Hagemann: „Die neue Bewertung rückgedeckter Pensionszusagen nach IDW RH FAB 1.021 – der Wunsch als Vater des Gedankens“, DB 2022, S. 953). Die Wirtschaftsprüfer werden sich aber an den Rechnungslegungshinweis gebunden fühlen und die Umsetzung einfordern.

Hilfestellung gibt es nun von Seiten der Deutschen Aktuarvereinigung. Anfang Mai wurde der Ergebnisbericht „Aktuarielle Umsetzung des IDW Rechnungslegungshinweises IDW RH FAB 1.021 zur handelsrechtlichen Bewertung von Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen aus rückgedeckten Direktzusagen“ vom 26.04.2022  veröffentlicht. Darin wird den Aktuarinnen und Aktuaren Hilfestellung bei der Umsetzung des Rechnungslegungshinweises gegeben.

In der Praxis wird sich vermutlich das dort beschriebene „Deckungskapitalverfahren“ durchsetzen, welches die wenigsten Daten vom Versicherer erfordert. Bei diesem Verfahren wird die Versorgungsverpflichtung auf die Rechnungsgrundlagen der Versicherung umbewertet oder umgeschätzt. Danach liegen zwei Barwerte vor, die mit denselben Rechnungsgrundlagen ermittelt wurden, nämlich der Aktivwert der Versicherung und der „Aktivwert“ der Versorgungszusage als umbewerteter HGB-Verpflichtungswert. Über das Verhältnis der beiden Barwerte zueinander können die Bilanzansätze hergeleitet werden.

Aufwendig bleibt die Umsetzung dennoch, daher sollten sich die Unternehmen frühzeitig Gedanken darüber machen, bei welchen Zusagen sie vom Rechnungslegungshinweis betroffen sind. Überall, wo Sie Rückdeckungsversicherungen haben – bei Direktzusagen oder Unterstützungskassen – sollten Sie jetzt genauer hinsehen und das Verfahren für das nächste Gutachten klären.

Im Herbst werden wir dazu ein Webcast anbieten.

Steuerbilanz: Neues rechnerisches Pensionsalter

Die Sichtweise des IDW zu Rückdeckungsversicherungen hat keinen Einfluss auf die steuerliche Bewertung. In der Steuerbilanz haben wir aber ein anderes Thema.

Die Finanzverwaltung hat früher die Auffassung vertreten, dass es für die Bewertung unterschiedlicher Verpflichtungen einer Person nur ein rechnerisches Pensionsalter geben kann. Sobald eine Versorgungszusage erteilt und hierfür eine Entscheidung getroffen wurde (normalerweise entweder die flexible oder die vertragliche Altersgrenze), war dieses Alter auch für weitere Pensionszusagen sowie für Jubiläumszusagen maßgeblich. 

Der BFH hat aber vor zweieinhalb Jahren entschieden, dass die Finanzverwaltung mit ihrer Auffassung falsch liegt. Hierüber haben wir seinerzeit berichtet (Beitrag vom 14.05.2020: „Die Finanzverwaltung muss sich vom einheitlichen Pensionsalter verabschieden“).

Nun hat die Finanzverwaltung mit dem BMF-Schreiben vom 02.05.2022  auf die Entscheidung reagiert, und zwar erfreulich großzügig. Zukünftig kann jede Versorgungszusage getrennt betrachtet werden. Für betroffene Pensionszusagen kann nun das rechnerische Pensionsalter neu festgesetzt werden, und für Jubiläumsverpflichtungen ist einheitlich die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung zu verwenden.

Aber auch hier ist nicht alles so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. Bei Pensionszusagen ist es nach dem BMF-Schreiben erforderlich, dass die Wahl des rechnerischen Pensionsalters bei einer Zweitzusage tatsächlich aufgrund der bisherigen Auffassung der Finanzverwaltung anders als eigentlich gewünscht festgelegt wurde. Und bei Jubiläumszusagen fließt zwar u. U. ein weiteres Jubiläum in die Bewertung ein, die höhere Rückstellung könnte aber wegen der Auffassung der Finanzverwaltung zur Maßgeblichkeit schnell neuen Ärger mit der Betriebsprüfung nach sich ziehen.

Auf dieses Thema werden wir daher in Kürze in einem weiteren Blogbeitrag näher eingehen.

WEITERE SPANNENDE THEMEN

Werden die einfachsten Zusagen bald am schwierigsten zu bewerten sein?
Thomas _Hagemann Thomas Hagemann |12 Aug 2019

Seit Jahren wird die Bewertung wertpapierorientierter Zusagen beim IAS-Board diskutiert. Nun gibt es ein Diskussionspapier aus Europa.

Zu kurz gedacht: Alles dreht sich um die gesetzliche Rente
Matthias_Lieb Matthias Lieb |05 Jul 2019

Veränderungen in der Altersversorgung spielen sich derzeit ausschließlich in der gesetzlichen Rentenversicherung ab. Damit wird Rentenpolitik zulasten zukünftiger Generationen betrieben, und Versicherte werden von eigener Vorsorge abgehalten.

PEPP ist nicht mehr aufzuhalten
  Thomas _Hagemann Thomas Hagemann |20 Jun 2019

Mit PEPP soll eine EU-einheitliche kapitalgedeckte private Altersversorgung eingeführt werden, die laut EIOPA sehr verbraucherfreundlich ausgestaltet ist. Doch wird die Altersversorgung dadurch besser, dass immer neue Systeme eingeführt werden?