Warum die Bedeutung von Benefits zunimmt, wie Unternehmen sie als Wettbewerbsvorteil in Szene setzen können und welche Rolle dabei die Digitalisierung spielt, erklären Martin Haep, Leiter des Geschäftsbereichs Wealth und Eva Lawless, Leiterin des Wealth-Segments „Benefit Transformation“ bei Mercer in Deutschland, in diesem Interview.  

 

Welche Bedeutung haben Benefits heute?

 

Martin Haep: Qualifizierte Fachkräfte können sich heute aussuchen, für welches Unternehmen sie arbeiten möchten. Dadurch erfahren Benefits eine ganz neue Bedeutung: Sie machen mittlerweile nicht selten den Unterschied. Wenn ich attraktiver Arbeitgeber sein und bleiben möchte, muss ich die Erwartungen und das Verhalten meiner Mitarbeiter kennen und mich daran ausrichten. Ein attraktives Gehalt und Aufstiegsmöglichkeiten sind gut und schön, aber für welches Unternehmen sich ein Bewerber entscheidet und wie lange er sich an ein Unternehmen bindet, hängt immer stärker von anderen Fragen ab: Wie kann ich Beruf und Privatleben im neuen Job vereinen? Hilft mir mein Arbeitgeber dabei, für eventuelle Auszeiten und den Ruhestand vorzusorgen und meine Finanzen zu planen? Wie sieht es mit Sportangeboten oder mit gesundem Essen aus? Was ist mit innovativen Leistungen, die mir den Alltag erleichtern, wie zum Beispiel einem Reinigungsservice?

 

Eva Lawless: Wir glauben, dass sich das Thema Benefits heute und in der Zukunft stark verändern wird und sie zentraler Bestandteil der Total Rewards-Strategie sein werden. In einer Welt, in der der Druck auf den Einzelnen im Arbeitsleben immer mehr zunimmt, müssen Unternehmen dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiter auf Dauer leistungsfähig bleiben und den Kopf frei haben von finanziellen, sozialen und gesundheitlichen Sorgen. Wenn es um finanzielle Aspekte geht, leiden Frauen übrigens häufiger unter Stress als Männer. Arbeitgeber sollten sich fragen: Können wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern da etwas abnehmen? Die Suche nach einem geeigneten und unabhängigen Finanzberater kann ich meinen Mitarbeitern ersparen, indem ich über das Benefits-Angebot beispielsweise auch die private Vorsorge unterstütze. Für Unternehmen ist das eine Riesenchance, Benefits gezielt als Wettbewerbsfaktor einzusetzen, um qualifizierte Mitarbeiter zu finden und zu binden. Es gilt, einen Weg zu finden, mit dem sie ihre Benefits richtig in Szene setzen können.

 

Was meinen Sie damit?

 

Eva Lawless: Bislang ist der Wert der angebotenen Benefits für die meisten Mitarbeiter gar nicht greifbar, sondern bleibt rein theoretisch. Unternehmen müssen hier das volle Digitalisierungspotenzial nutzen – und zwar in vielerlei Hinsicht. Die Entscheidungsfindung ist ein gutes Beispiel. Wir müssen die Art, wie wir im privaten Leben Entscheidungen treffen, in die Arbeitswelt übertragen. Konkret bedeutet dies, das Arbeitsumfeld einfach und intuitiv zu gestalten. Der Einsatz moderner Technologien, so wie wir sie im privaten Alltag fast ständig nutzen, steht dabei im Vordergrund. Im Privatleben haben wir uns alle längst an das „Prinzip Amazon“ gewöhnt. Mitarbeiter wollen heute nicht mehr bei der Personalabteilung anfragen, um sich zu informieren oder mühsam im Intranet nach dem passenden Formular suchen.

 

Martin Haep: Richtig. Gefragt ist eine smarte Single-Source-of-Truth-Lösung, die vollständig in die bestehende HR-System-Landschaft eines Unternehmens integriert und individuell auf die jeweilige Corporate Identity der Organisation angepasst werden kann.

 

Das klingt nach einem völlig neuen Ansatz!

 

Martin Haep: Ja, deshalb sprechen wir auch von einer Revolution. Benefits müssen für den Mitarbeiter zum Erlebnis werden. Dabei geht es auch darum, das bestehende Benefits-Angebot kritisch zu prüfen. Entscheidend ist nicht die Anzahl – nach dem Motto „viel hilft viel“. Wichtig ist, dass die angebotenen Benefits den Bedürfnissen der Mitarbeiter entsprechen. Dabei hilft eine genaue Analyse der unterschiedlichen Zielgruppen im Unternehmen. So genannte „Personas“ oder einfach gesagt Mitarbeitercluster sind eine gute Methode, um Arbeitnehmer nicht nur nach soziodemografischen Gesichtspunkten wie Alter und Geschlecht, sondern auch nach Persönlichkeitsmerkmalen und Erwartungshaltungen zu unterscheiden. Der Grad der Risikoaversität, das Bedürfnis nach sozialem Anschluss oder der Umgang mit der eigenen Gesundheit sind Faktoren, die im Rahmen dieser Analyse wichtige Indikatoren sind.

 

Ist als Ergebnis ein attraktives und bedürfnisgerechtes Benefits-Paket geschnürt, geht es im zweiten Schritt darum, die Wahlmöglichkeiten zeitgemäß, also wie geschildert digital zu präsentieren. Dabei muss die User Experience im Vordergrund stehen.   

 

Wie sehen mögliche Wahlentscheidungen aus und wie flexibel sind sie?

 

Eva Lawless: Grundsätzlich bieten solche Lösungen ein Höchstmaß an Flexibilität, da man Mitarbeitern eben solch differenzierte Angebote machen kann. Der Kita-Platz zum Beispiel ist für den Vater oder die Mutter von zwei Kindern enorm wichtig, interessiert den Alleinstehenden aber überhaupt nicht. Der gibt das Geld vielleicht lieber für einen Wäsche-Service oder eine private Reinigungskraft aus oder für den Hundesitter. Stellen Sie sich vor, Sie könnten pro Jahr über den Arbeitgeber eine bestimmte Summe X in Ihre persönlich zusammengestellten Benefits investieren. Da geht es dann nicht mehr um Betriebsvereinbarungen und komplizierte Anträge, sondern wir sprechen hier über echte Convenience für den Arbeitnehmer. Und genau da möchten wir hin. Auch das meinen wir, wenn wir von einer Revolution sprechen.

 

Martin Haep: Zudem sollen Mitarbeiter rund um die Uhr und von jedem Ort aus auf die Plattform zugreifen können. Hier können sie ihre Benefits auswählen, miteinander vergleichen und anpassen, Empfehlungen von Kollegen anschauen und Algorithmen nutzen, die ihnen komplexe Entscheidungen im Bereich Benefits und Vorsorge abnehmen. Durch Vergleichsportale oder Plattformen wie Amazon oder booking.com, die wir im privaten Leben nutzen, sind wir – ohne, dass uns das ständig bewusst ist – ganz einfach bequem geworden: Wir lassen uns lieber von der Maschine eine Empfehlung geben oder lassen diese zumindest eine Vorauswahl treffen, bevor die finale Entscheidung dann nur noch einen Klick entfernt ist. Das wollen wir auch im Berufsleben so haben.

 

Welche Rolle werden eher traditionelle Benefits wie Versicherungen oder die betriebliche Altersversorgung im Besonderen spielen?

 

Martin Haep: Selbstverständlich werden klassische Benefits, insbesondere die betriebliche Altersvorsorge, weiterhin sehr wichtig bleiben. Rein aus gesellschaftspolitischen Gründen führt daran kein Weg vorbei. Auch junge Menschen beschäftigen sich mit der Frage, wie sie sich finanziell im Alter absichern können. Über ihren Arbeitgeber können sie auf smarte Lösungen und besonders attraktive Lösungen zugreifen. Aber das Informations- und Beratungsbedürfnis ist gerade für jüngere Mitarbeiter ein anderes als für ältere. Das bezieht sich im Wesentlichen auf die Art und Weise, in welcher die Informationen präsentiert werden. Moderne Kommunikationswege verstärken die Akzeptanz bei den Mitarbeitern und verbessern das Verständnis und die Sichtbarkeit des Angebotes.

 

Eva Lawless: Organisationen werden in Zukunft mit verschiedenen Arten von Mitarbeitern zu tun haben: Da wären die Festangestellten mit eher traditionellen Werten, die dem Unternehmen länger verbunden sein werden. Auf der anderen Seite wird es zunehmend „Free Agents“ geben, die dem Unternehmen zeitlich begrenzt zur Verfügung stehen und daher ganz andere Ansprüche an Benefits haben. Für erstere macht es absolut Sinn, in tradierte Werte wie die betriebliche Altersvorsorge zu investieren.

 

Sehen Sie auch mögliche Herausforderungen in der Umsetzung der „Benefits Transformation“?

 

Martin Haep: Kommunikation ist aus meiner Sicht ein wichtiges Thema, damit aus Simplifizierung nicht Trivialisierung wird. Darüber hinaus muss man sicherstellen, dass alle Mitarbeiter an dieser neuen Technologie partizipieren können. Nehmen wir mal ein produzierendes Unternehmen: Die meisten Mitarbeiter, die am Fließband stehen, verfügen nicht über einen eigenen Rechner. Das kann man lösen, indem man das Portal auf privaten Geräten nutzbar macht oder einen Raum mit einem Rechner zur Verfügung stellt, in dem Mitarbeiter ihre Auswahl treffen können.

 

Wie passt das alles zu dem steigenden Effizienz- und Kostendruck auf HR?

 

Eva Lawless: Das ist neben dem Druck, sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren, ein zweiter ganz wichtiger Faktor, der Unternehmen zwingt, die Benefits Revolution zügig anzugehen. Wir sehen, dass im Zuge der Digitalisierung die Integration der Benefits in die bestehende HR-IT-Landschaft immer stärker gefordert wird. Viele Unternehmen haben den ersten Schritt gemacht und Systeme wie Workday® oder SAP SuccessFactors implementiert. Darüber werden die Rekrutierung von Personal, die Lohn- und Gehaltsabrechnung und auch das Thema Weiterbildung beispielsweise bereits zentral gemanagt. Wenn es jedoch um die Benefits und speziell um die betriebliche Altersversorgung geht, stoßen diese Systeme, die vor allem auf Standardisierung angewiesen sind, schnell an ihre Grenzen. Wir haben dafür eine Lösung anzubieten: Unser Portal verfügt über die nötigen Schnittstellen zwischen HR-System, Payroll-Systemen und externen Benefit-Providern. Der Administrationsaufwand für die Benefits wird auf ein Minimum reduziert, da der Datenaustausch zwischen den Systemen automatisiert abläuft. HR-Verantwortliche können sich endlich strategischen Aufgaben widmen, anstatt Firmenwagen, Yogakurse und bAV-Angebote zu verwalten.

 

Martin Haep: Neben dem Portal an sich bieten wir das komplette Benefits-Paket an – von der strategischen Beratung und Gestaltung über die Erstellung eines konkreten IT-Anforderungskatalogs bis hin zu einer zeitgemäßen Mitarbeiter-Kommunikation. So können wir sicherstellen, dass das Benefits-Erlebnis auch zur restlichen HR-Strategie und zum jeweiligen Employer Branding passt.

 

Haben die Unternehmen das Thema Benefits Transformation bisher verschlafen?

 

Martin Haep: Das kann man so nicht sagen. Durch die Digitalisierung wird das, was wir die „Mercer Benefits Revolution“ nennen, erst möglich. Mit ihr eröffnen sich ganz neue Spielräume, um völlig neue Benefits-Welten für Mitarbeiter zu erschaffen. Das fängt beim Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Datenaufbereitung und -verarbeitung an. In der Zukunft werden wir auf diese Weise Fehlerquoten drastisch reduzieren und präzise Prognosen erstellen können. Chatbots werden Mitarbeiter rund um die Uhr zu ihren Benefits beraten und Robo-Advisor werden dabei helfen, die richtige Investmentstrategie für die private Vorsorge zu finden. Es sind unheimlich spannende Zeiten und wir freuen uns darauf, diesen Weg in die Zukunft gemeinsam mit unseren Kunden zu gehen.  

 

Vielen Dank für das Gespräch!

 

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