Institutionelle Investor:innen diskutieren bereits seit Jahren über den Einfluss von Nachhaltigkeit auf die Investmentrendite. Doch nun wird auch der regulatorische Druck immer stärker, z.B. durch den europäischen grünen Deal. Mittlerweile ist weit vertreten, dass Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance) einen Einfluss auf die Rendite haben. Vor über 15 Jahren hat Mercer daher bereits einen eigenen Responsible Investments-Bereich gegründet, um Investor:innen auf der Suche nach nachhaltigen Investments zu unterstützen. Aufgrund der allgemeinen Relevanz hat Mercer „Nachhaltigkeit“ zudem als eine der fünf Investment-Grundüberzeugungen aufgenommen. Sie ist somit in jeglicher Investmentberatung enthalten. Ein weiteres Beispiel für das starke Interesse an nachhaltigen Investments zeigt BlackRock. Anfang 2021 schrieb Larry Fink, CEO des Investmentunternehmens, seinen jährlichen Brief an die Unternehmensleitungen der Organisationen, in die BlackRock investiert hat. Seine Forderung: Die Unternehmen sollen Pläne vorlegen, wie sie ihre CO2-Emission auf null reduzieren und ihre Nachhaltigkeitsstrategie verbessern. In seinen Anforderungen an die Vorstandsvergütung fordert BlackRock zudem seit 2021, dass ESG-Ziele quantifizierbar, transparent und überprüfbar sein müssen.

 

Dass der Erhalt und Schutz der Erde das wahrscheinlich wichtigste Thema überhaupt ist (Precht, 2018), ist nicht erst seit den Fridays-for-Future-Demonstrationen bekannt. Dennoch ist es erstaunlich, wie weit ein dahingehender Konsens bis in die vermeintlich rein marktwirtschaftlich- und gewinnorientierten Investmentunternehmen hinein herrscht. Ebenso wie die führenden Stimmrechtsberater ISS und IVOX Glass Lewis zur Implementierung einer ESG-Strategie und zur Nutzung entsprechender Kennzahlen in den Vergütungssystemen von Vorständ:innen (s. Tab. 1).

Tabelle 1: ESG-Anforderungen von Investor:innen und Stimmrechtsberater:innen (Quelle: Mercer)

 

Doch nicht nur Investor:innen fordern signifikante Veränderungen der Geschäftspraktiken ein. Regulierungsbehörden verfolgen eine aggressive Nachhaltigkeitsagenda und zwingen Unternehmen zu entschlossenem Handeln. Kund:innen kaufen zunehmend verantwortungsbewusst und meiden Produkte mit einem schlechten sozialen und ökologischen Fußabdruck. Und schließlich legen immer mehr Mitarbeitende großen Wert darauf, durch ihre Arbeit einen positiven Beitrag zur Gesellschaft zu leisten.

 

Darüber hinaus zeigen diverse Studien eine positive Korrelation zwischen einer klaren ESG-Strategie und positiver finanzieller Unternehmensperformance. In einer Meta-Analyse von 200 Studien in den letzten 40 Jahren zum Zusammenhang zwischen ESG-Zielen und dem finanziellen Erfolg von Unternehmen kommen Friede, Busch und Bassen (2015) zu dem eindeutigen Ergebnis, dass der unterstellte positive Zusammenhang mehrheitlich von den analysierten Studien bestätigt wird. Dieser Befund ist über den Zeitablauf und zwischen Regionen stabil.

 

Zu vergleichbaren Ergebnissen kommen Arabesque Partners und die University of Oxford (2015), die in einer Meta-Studie von ebenfalls ca. 200 wissenschaftlichen Studien die Wirkung von ESG-Strategien untersucht haben. Auch in dieser Analyse bestätigen sich die positiven Effekte einer klaren ESG-Strategie auf die finanzielle Performance, Aktienkursentwicklung und Kapitalkosten von Unternehmen. Laut dieser Studie ist Nachhaltigkeitsmanagement sowohl auf Management-  als auch auf Investorenseite ein grundlegendes Thema für die nächsten Dekaden. Während die vergangenen Jahrzehnte von inkrementellen Veränderungen und einem maßgeblichen Marketingfokus geprägt waren, stehen die Zeichen nun auf grundlegenden Veränderungen. Um erfolgreich in diesen veränderten Kontexten zu agieren, gilt es für Unternehmen sich im Kern nachhaltig zu verändern.

 

Wie kann ein solch tiefgreifender Wandel gestaltet werden? Um im Kern nachhaltig zu werden, bedarf es eines weitreichenden Transformationsprozesses, der Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt des Unternehmens stellt und im organisationalen Selbstverständnis verankert ist. Dies beginnt bei den innersten Fragen einer Organisation, ihrem Zweck, ihrem Beitrag zur Gesellschaft zusammen mit der gelebten Kultur. Nachhaltigkeit muss zentral in die strategischen Eckpfeiler integriert und in einem langfristigen Business Case verbunden werden.

 

In der anknüpfenden Übersetzung des strategischen und kulturellen Zielbilds nehmen die „People“-Instrumente eine maßgebliche Rolle ein – insbesondere die Integration in die organisationalen Vergütungssysteme. Im Folgenden soll dieser Aspekt daher in Hinblick auf aktuelle Trends, Rahmenbedingungen und Best Practices näher eruiert werden.



Rechtliche Anforderungen aus Vergütungssicht

Neben den Anforderungen von Investor:innen und Stimmrechtsberater:innn stellen rechtliche Anforderungen eine weitere treibende Kraft zur Nutzung von ESG-Zielen dar. Der Gesetzgeber hatte im Jahre 2009 auf die Finanzkrise 2008/09 mit dem Vorstandsvergütungsangemessenheitsgesetz (VorstAG) reagiert und u. a. folgende Neuformulierung in § 87 I AktG verankert: „Die Vergütungsstruktur ist bei börsennotierten Gesellschaften auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung auszurichten. Variable Vergütungsbestandteile sollen daher eine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben.“ Seit dem VorstAG wurde kontrovers diskutiert, inwiefern die mehrjährige Bemessungsgrundlage in § 87 I 3 ausreichend sei, um die variable Vorstandsvergütung an der nachhaltigen Unternehmensentwicklung auszurichten. Die herrschende Meinung hatte den Nachhaltigkeitsbegriff in § 87 I 2 AktG ausschließlich auf eine zeitliche Dimension nach Satz 3 reduziert. Mindermeinungen hatten neben der zeitlichen Perspektive auch eine inhaltliche Interpretation des Nachhaltigkeitskonzepts nach dem so genannten Drei-Säulen-Konzept aus sozialen, ökonomischen und ökologischen Leistungsindikatoren eingefordert. Als Beispiele hierfür lassen sich die Vorschläge des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zur Einbeziehung nicht-finanzieller Aspekte in die Vorstandsvergütung sowie die „Arbeitshilfen für Aufsichtsräte: Angemessene Vorstandsvergütung“ anführen, welche die Hans-Böckler-Stiftung veröffentlichte. Auffällig an den vorstehenden Empfehlungen ist die Betonung der Mitarbeiterzufriedenheit (DGB-Index „Gute Arbeit“) für die Vorstandsvergütung, die lediglich eine soziale Determinante der Nachhaltigkeitskonzeption darstellt (Velte, 2020).

 

Der Aktionsplan Europäisches Gesellschaftsrecht und Corporate Governance 2012 formulierte nächste regulatorische Schritte, die schließlich u. a. in der RL (EU) 2017/828 vom 17.5.2017 zur Änderung der RL 2007/36/EG („Aktionärsrechterichtlinie“) umgesetzt wurden. Die neugefasste Aktionärsrechterichtlinie zielte darauf ab, „die Leistung von Mitgliedern der Unternehmensleitung [..] anhand sowohl finanzieller als auch nicht-finanzieller Kriterien, gegebenenfalls einschließlich ökologischer, sozialer und Governance-Faktoren“ zu bewerten. Im Sommer 2019 hatte die Bundesregierung eine kontroverse Diskussion zur Reichweite der künftigen Say-on-Pay-Regulierungen geführt. Der Regierungsentwurf für ein ARUG II sah noch vor, den Begriff Nachhaltigkeit durch den Terminus Langfristigkeit in § 87 I 2 AktG zu ersetzen. Die Beschlussempfehlung und der Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss) vom 13.11.2019 hatte sich allerdings für die Terminologie „nachhaltige und langfristige Entwicklung der Gesellschaft“ ausgesprochen. Die Bundesregierung hatte sich am 14.11.2019 dieser Sichtweise bei der Verabschiedung des ARUG II angeschlossen. Damit darf sich die Ausrichtung der variablen Vorstandsvergütung an einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung nicht nur auf eine Berücksichtigung von langfristigen Zielen konzentrieren. Überdies müssen nicht-finanzielle Parameter (Sozial- und Umweltziele) künftig zwingend einbezogen werden (Velte, 2020).

 

Die Entwicklung der gesetzlichen Anforderungen in Deutschland ist dabei nicht isoliert zu sehen. In anderen Ländern gibt es ähnliche Entwicklungen. So ist die Nutzung von ESG-Zielen im Bereich der Vorstandsvergütung auch in Frankreich gesetzlich verankert.

 

 

Marktpraxis zur Nutzung von ESG-Zielen aus Vergütungssicht

Der Mercer Spot Survey on Environmental, Social, and Governance (ESG) Incentive Plan Metrics  (2019) zeigt in Abbildung 1, dass ESG-Ziele bereits in der Mehrzahl großer europäischer Unternehmen Eingang in die Vergütung gefunden haben. Diese Ziele werden zumeist in den einjährigen variablen Vergütungen (Short-Term-Incentives, kurz: STI) aufgenommen. In Anbetracht der nachhaltigen und langfristigen Orientierung der ESG-Ziele hätte man eine stärkere Nutzung in der mehrjährigen variablen Vergütung (Long-Term Incentives, kurz: LTI) erwarten können, jedoch kann eine einfachere und für die Unternehmen gewohntere Operationalisierung von ESG-Zielen mit einjähriger Laufzeit den Ausschlag für die stärkere Nutzung in den STI gegeben haben. 

Abbildung 1: Nutzung von ESG-Zielen in Europa (Mercer, 2019)

 

Dieselbe Studie zeigt, welche Arten von ESG-Zielen in den STI und LTI europäischer Unternehmen genutzt werden. Der Fokus liegt stark auf Umweltaspekten (Environmental), aber auch auf mitarbeiterbezogenen Zielen (Employee Engagement/Culture), die in den europäischen STI sogar am meisten genutzt werden (s. Abb. 2).

Abbildung 2: Genutzte ESG-Ziele in Europa (Mercer, 2019)

 

Zusammenfassung und Ausblick

Es gab wahrscheinlich selten eine so große Einigkeit zwischen gesellschaftlichen sowie Unternehmens- und Investoreninteressen wie hinsichtlich der Bedeutung von ESG-bezogenen Fragestellungen. Der aus gesellschaftlicher Perspektive unstrittige Wunsch nach Schutz und Verbesserung von ökologischen und sozialen Rahmenbedingungen fällt auch bei Unternehmen und Investor:innen zunehmend auf fruchtbaren Boden. Zum einen fordern organisationale Stakeholder verstärkt zu einem breiteren unternehmerischen Verantwortungsverständnis auf. Zum anderen zeigt eine signifikante empirische Evidenz die positive Wirksamkeit von ESG-Zielen auf die Unternehmens- und Mitarbeiterperformance.

 

In den USA ist hierbei bereits zu beobachten, dass sich die größten US-Unternehmen freiwillig und zudem auch durch Anforderungen der US-Börsenaufsichtsbehörde United States Securities and Exchange Commission (SEC) verpflichtet haben, in ihren Geschäftsberichten darzustellen, welche Maßnahmen sie in ihrem Human Capital Management und besonders in puncto Diversitäts- und Inklusionsförderung aufgreifen (s. Abb. 3). Dies wird sicherlich nicht die letzte Entwicklung im Bereich ESG sein, sondern stellt nur einen „Zwischenstopp“ in einer gerade erst begonnen „Reise“ dar.

 

Abbildung 3: Stärkerer Fokus auf Human Capital Management, Diversity, Equity und Inclusion (Quelle: Mercer)

Dr. Björn Hinderlich
Dr. Björn Hinderlich
Mitglied des Rewards Leadership Teams Central & Eastern Europe, Career und Workforce Solutions

 

Literatur:

Arabesque Partners, University of Oxford (2015). From the Stockholder to the Stakeholder. zugegriffen am: 14.02.2021: https://ssrn.com/abstract=2508281

BlackRock Investment Institute (2018). Global Insights May 2018, Sustainable investing: a ‘why not’ moment, zugegriffen am 31.01.2021: https://www.blackrock.com/corporate/insights/blackrock-investment-institute/publications/sustainable-investing-is-the-answer

Friebe, G., Busch, T. & Bassen, A. (2015). ESG and financial performance: aggregated evidence from more than 2000 empirical studies. Journal of Sustainable Finance & Investment, 5, 210-233

Mercer (2019). Mercer Spot Survey on Environmental, Social, and Governance (ESG) Incentive Plan Metrics (Europe)

Precht, R. D. (2018). Jäger, Hirten, Kritiker: Eine Utopie für die digitale Gesellschaft. München: Goldmann

Velte, P. (2020). Nachhaltige und langfristige“ Vorstandsvergütung nach dem ARUG II – Erste Anmerkungen zur zwingenden Einbeziehung von Sozial- und Umweltaspekten nach § 87 I 2 AktG. NZG 2020, 12, beck-online

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