Entgeltumwandlung lohnt sich!

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von Mercer-Experte Udo Müller

Für immer mehr Arbeitnehmer wird die gesetzliche Rente allein nicht mehr ausreichen, um ihren Lebensunterhalt im Alter angemessen bestreiten zu können. Eine zusätzliche Altersvorsorge ist notwendig. Die kapitalgedeckte betriebliche Altersversorgung (bAV) ist dabei strukturell eine sinnvolle Ergänzung der weitgehend umlagefinanzierten gesetzlichen Rente.

Die Frage, ob sich Entgeltumwandlung lohnt, dreht sich nicht um die Handlungsalternativen Sparen oder Konsum, denn Sparen für die Altersvorsorge ist für fast alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geboten. Sie lautet vielmehr: Was ist günstiger, eine bAV aus Entgeltumwandlung oder eine privat finanzierte Altersvorsorge?

Schon seit Jahren kursieren Berichte in den Medien, wonach sich Entgeltumwandlung nicht lohne. Die Hauptargumente: Entgeltumwandlung mindert das sozialversicherungspflichtige Einkommen und damit die Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV). Zudem sind die betrieblichen Versorgungsleistungen im Leistungsfall nicht nur steuer-, sondern zudem auch kranken- und pflegeversicherungspflichtig.

Aufgrund der Verabschiedung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes wird eine gewissenhafte Auseinandersetzung mit dem Thema noch wichtiger. Schließlich wird mit dem neuen Gesetz nicht nur die arbeitgeberfinanzierte Altersvorsorge, sondern auch die Entgeltumwandlung weiter gefördert.

Unabhängig davon, ob beispielsweise in einem Tarifvertrag ein Optionsmodell vereinbart oder die neue reine Beitragszusage auch für Entgeltumwandlung geöffnet wird, werden die Arbeitnehmer darauf vertrauen, dass diese Modelle effizienter sind als eine privat finanzierte Altersvorsorge.

So einfach ist das alles nicht!

Wir haben diese Diskussion zum Anlass genommen, die Vor- und Nachteile der Entgeltumwandlung im Vergleich zu einer privaten Altersvorsorge einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Dabei haben wir festgestellt: So einfach ist das alles nicht! Die Ergebnisse hängen sehr stark von den getroffenen Annahmen wie zum Beispiel Zins, Inflation und Steuerbelastung ab.

Diese Annahmen müssen für Zeiträume von teilweise über 30 Jahren getroffen werden. Dabei sind eine ganze Reihe gegenläufiger Effekte zu berücksichtigen:

  • Anders als bei der privaten Altersvorsorge mindert die Entgeltumwandlung das Bruttoeinkommen, so dass bei gleichem Netto ein höherer Beitrag in die bAV eingezahlt werden kann.

  • Für den Rentner dreht sich das Blatt: Die private Altersvorsorge über eine Versicherung muss beispielsweise nur mit dem Ertragsanteil versteuert werden, die betriebliche zu 100 Prozent.

  • Ähnlich ist die Situation bei den Sozialabgaben: Bei der bAV wird die Belastung durch Sozialabgaben unter Berücksichtigung gewisser Grenzen in die Rentenbezugsphase verschoben. Dabei muss der Rentner den vollen Beitragssatz zur Kranken- und Pflegeversicherung entrichten.

  • Die Entgeltumwandlung reduziert die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Dadurch vermindert sich entsprechend auch die spätere gesetzliche Rente.

Das ist die vereinfachte Darstellung der Effekte. Hinzu kommt, dass beispielsweise der Steuersatz in der Rentenphase in der Regel deutlich niedriger ist als während des Arbeitslebens. Viele Rentenbezieher zahlen sogar überhaupt keine Steuern.

Die Karten werden neu gemischt

Diese Effekte wirken je nach Erwerbsbiographie ganz unterschiedlich. Bis zur Verabschiedung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes gab es Konstellationen, bei denen die private Altersvorsorge für den Arbeitnehmer günstiger war als die betriebliche.

Ab 2018 werden die Karten neu gemischt: Der Arbeitgeber muss zukünftig seine eigene Ersparnis an Beiträgen zur Sozialversicherung bis zu einem Anteil von 15 Prozent der Entgeltumwandlung an den Versorgungsträger weiterreichen. Durch diesen Zuschuss verschieben sich die Vorteile ganz klar in Richtung der bAV.

Da der Vergleich sehr stark von den gewählten Prämissen abhängt, ist es wichtig, diese offenzulegen. In den meisten Medienberichten ist das nicht geschehen.

Wie haben wir gerechnet?

Für unsere Berechnungen betrachten wir drei Mitarbeiter im Alter von 30, 40 und 50 Jahren. Wir unterstellen jeweils ein Jahresgehalt von 36.000 Euro, das damit knapp unterhalb des Durchschnittseinkommens aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt. Für die Zukunft berücksichtigen wir einen jährlichen Gehaltstrend von zwei Prozent. Die jährliche Entgeltumwandlung beträgt 1.200 Euro, ebenfalls mit einem jährlichen Trend von zwei Prozent. Im Falle der privaten Altersvorsorge ist der Einzahlungsbetrag so hoch wie die Minderung des Nettoeinkommens im Falle der Entgeltumwandlung. In beiden Varianten, bei denen sich der Arbeitnehmer entweder für die betriebliche oder für die private Altersvorsorge entscheidet, hat er also das gleiche verfügbare Nettoeinkommen (nach Vorsorge).

Für diese drei Personen in jeweils zwei Varianten ermitteln wir nun die gesetzliche, private und betriebliche Rente. Für die Altersvorsorge selbst kalkulieren wir mit vier Modellen: Zwei Ausprägungen eines versicherungsförmigen Garantieproduktes, zum einen auf Basis der garantierten, zum anderen auf Basis der prognostizierten Werte, und zwei Fondsprodukte, wobei wir als Eckpunkte Fondsrenditen von zwei und fünf Prozent pro Jahr annehmen.

Bei allen Vergleichen ist zu berücksichtigen, dass die Kosten für private Produkte höher sind als für betriebliche Lösungen. So gehen wir davon aus, dass die Leistungen bei der versicherungsbasierten bAV aufgrund der günstigeren Gruppenkonditionen um 2,5 Prozent höher sind. Bei fondsbasierten Lösungen nehmen wir in der bAV jährliche Kosten von 0,75 Prozent der Anlagesumme und in der privaten Anlage jährliche Kosten von 1,5 Prozent an.

Ausgehend vom Rentenversicherungsbericht 2016 unterstellen wir, dass die Entwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung jährlich um 0,75 Prozentpunkte hinter der Entwicklung der Durchschnittsgehälter zurückbleibt.

Für die Sozialversicherungsbeiträge verwenden wir konstant die Beitragssätze 2017.

Beim Steuertarif gehen wir davon aus, dass die kalte Progression durch eine regelmäßige Anpassung des Steuertarifs ausgeglichen wird.

Den Vorgaben des Betriebsrentenstärkungsgesetzes folgend, berücksichtigen wir, dass die Entgeltumwandlung um den Arbeitgeberzuschuss von 15 Prozent erhöht wird. Das ist bei den Durchführungswegen Unterstützungskasse und Direktzusage nicht zwangsläufig der Fall, so dass die Ergebnisse für diese beiden Durchführungswege anders aussehen können. Dabei ist aber zu beachten, dass gerade Direktzusagen häufig höhere Leistungen vorsehen als Zusagen in den anderen Durchführungswegen, so dass sie ohnehin außer Konkurrenz laufen.

Die Ergebnisse für die drei Mitarbeiter in Steuerklasse 1 und die vier Modelle können Sie der unten stehenden Grafik entnehmen. Dabei wurden folgende wesentliche Annahmen getroffen: Mitarbeiter: Alter 30 bzw. 40 und 50 Jahre bei Beginn; Gehalt zu Beginn: 36.000 €; Verzicht zu Beginn: 1.200 €; Gehalts- und Verzichtstrends je 2 %; Steuerklasse 1; Rentenbeginn 67 Jahre; Verrentung Fonds: Heubeck (2005 G; 2 % Zins, 1 % RT).

Vier verschiedene Altersvorsorgemodelle im Vergleich


Quelle: Mercer
 

bAV im Vorteil

Bei unterstellter Steuerklasse 1 führt in allen betrachteten Fällen die bAV in der Rentenbezugsphase zu einem höheren Nettoeinkommen als die private Altersvorsorge. In allen hier dargestellten Fällen ist es somit empfehlenswert, bei Steuerklasse 1 in die betriebliche und nicht in die private Altersvorsorge zu investieren.

Wie aber bereits ausgeführt, hängt das konkrete Ergebnis stark von der Ausgangssituation des Arbeitnehmers ab. Beispielsweise haben wir für die lohnsteuerliche Bewertung unterstellt, dass die Arbeitnehmer keine arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung und auch keine private Altersvorsorge haben. Neben der gesetzlichen Rentenversicherung wird hier lediglich die zusätzliche Entgeltumwandlung betrachtet.

Was ist nun, wenn die Steuerbelastung in der Rentenphase niedriger ausfällt, z. B. weil der Mitarbeiter in Steuerklasse 3 ist? Dann verschiebt sich das Bild noch stärker zu Gunsten der bAV. Denn je geringer die Renten in der Leistungsphase sind, desto geringer ist auch der Steuersatz und desto unbedeutender wird der steuerliche Nachteil der bAV während der Leistungsphase.

Wir haben ein Einkommen in Höhe von 36.000 Euro pro Jahr unterstellt, was in etwa dem Durchschnittseinkommen aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten entspricht. Was ist, wenn das Einkommen darunter liegt? Auch dann spricht einiges für eine bAV. Der Hauptgrund ist wieder derselbe: Je geringer die spätere Rente, desto geringer der Steuernachteil für die bAV. Hier muss man aber zusätzlich die verschiedenen anderen Effekte in der Anwartschafts- und Leistungsphase berücksichtigen. Insgesamt liegt jedoch die betriebliche Rente weiter vorne.

Cash statt Rente

Und wie ist in diesem Zusammenhang ein Kapitalwahlrecht einzuordnen? Die Praxis zeigt, dass gerade bei niedrigeren Renten eine Kapitalzahlung deutlich (über 80 Prozent) bevorzugt wird. Im Vergleich Rente und Kapital steht und fällt die Vorteilhaftigkeit natürlich mit der persönlichen Lebenserwartung. Bei Versicherungsprodukten wird sehr vorsichtig eine weiter ansteigende Lebenserwartung von fast 100 Jahren für junge Arbeitnehmer unterstellt. Wenn der einzelne Arbeitnehmer nicht erwartet, dieses gesegnete Alter zu erreichen, ist aus seiner Sicht die Kapitalzahlung attraktiver. Auch durch das Kapitalwahlrecht punktet die bAV gegenüber einer privaten Absicherung.

Nur höherer Einkommen drehen den Spieß um

Das Bild ändert sich erst, wenn wir unsere Berechnungen mit höheren Einkommen durchführen, die über der Beitragsbemessungsgrenze für die Krankenversicherung liegen. Dann reduziert sich die Vorteilhaftigkeit der bAV im Vergleich zur Privatvorsorge aufgrund der geringeren Einsparung von Sozialabgaben, also einem potenziell geringeren Arbeitgeberzuschuss als 15 Prozent, dem kein Vorteil im Rentenbezug gegenüber steht.

Für Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung hängen die Ergebnisse stark davon ab, ob der Mitarbeiter privat oder gesetzlich krankenversichert ist und wie hoch das Gesamteinkommen im Alter ist.

Entgeltumwandlung ist fast immer die richtige Wahl!

Angesichts dieser Ergebnisse wird klar, dass die bAV in diversen Medienberichten zu Unrecht negativ dargestellt wurde. Die Resultate hängen stark von den gewählten Annahmen ab, die in den meisten Fällen nicht vollumfänglich offengelegt wurden, so dass die Ergebnisse weder nachvollziehbar waren, noch fachlich eingeordnet werden konnten.

Seit der Einführung des Arbeitgeberzuschusses von 15 Prozent zur Entgeltumwandlung ist die Frage entschieden, ob sich die bAV lohnt: Ja, Entgeltumwandlung lohnt sich! Nur wer ein hohes Einkommen oder beispielsweise schon eine hohe arbeitgeberfinanzierte bAV hat, für den kann es vorteilhaft sein, in die private Altersvorsorge zu investieren. Wer aber die zusätzliche Altersvorsorge zur Sicherung des Lebensstandards im Alter braucht, der ist mit der bAV in der Regel gut bedient.

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