Die anhaltende Niedrigzinsphase stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Es besteht sogar die Möglichkeit, dass die Rechnungszinsen weiter sinken. Wir erwarten in unseren Asset-Liability-Modellen mit ca. 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit langfristig Zinsen unter 0 Prozent.
Die Entwicklung hin zu negativen Anleiherenditen ist vor allem in Europa und Japan zu beobachten. Wenn auch noch positiv, sind die Renditen in anderen Regionen zunehmend rückläufig. Einige Staatsanleihen und Unternehmensanleihen mit guter Bonität sind bei Investoren so gefragt, dass sie bereit sind, für das Halten der Anleihe eine Prämie zu bezahlen. Vor allem die wirtschaftlich starken Länder wie Belgien, Deutschland, Finnland, Niederlande, Österreich, und Schweden weisen negative Zinsen auf. Im August 2019 erreichte sogar die Rendite 30-jähriger Bundesanleihen ein Rekordtief von -0,275 Prozent.
Seit der Finanzmarktkrise stecken viele entwickelte Volkswirtschaften in einem Umfeld geringer Inflation fest. Um die Wirtschaft und Inflation anzukurbeln, haben die Zentralbanken verstärkt geldpolitische Maßnahmen ergriffen. Das Thema, das in diesem Zusammenhang am meisten umstritten ist, sind negative Zinssätze. Die dänische Zentralbank war die erste, die 2012 mit den Zinsen unter die magische Grenze von 0 Prozent ging. Zur Überraschung vieler führte dies nicht zu einer Belastung des Finanzsystems. 2014 folgten mehrere Zentralbanken in Europa diesem Vorgehen. Aus historischer Sicht könnte das Niedrigzinsumfeld langanhaltend sein. In den USA liegt die Fed Funds Rate jetzt zwar wieder über Null und ist bis zum Anfang des Jahres gestiegen, aber auch der Trend der Höchststände der Zinssätze im letzten halben Jahrhundert zeigt nach unten.
In Japan begann das Niedrigzinsumfeld Ende der 90er Jahre und blieb bis heute erhalten. In der EU-nahen Schweiz sind die Zinsen seit 2010 auf 0 Prozent gesunken und seit 2015 negativ geblieben. Die drei Leitzinssätze der EZB wurden ebenfalls gesenkt. Seit 2016 lag der Hauptrefinanzierungssatz bereits bei 0 Prozent und die Spitzenrefinanzierungsfazilität bei 0,25 Prozent. Die EZB revidierte in ihrer dritten Sitzung 2019 ebenfalls die in Aussicht gestellten Zinserhöhungen. Stattdessen fand eine Zinssenkung und eine Wiederaufnahme des Asset Purchase Programme statt, der Zinssatz für die Einlagefazilität wurde ebenfalls um 10 Basispunkte auf -0,50 Prozent gesenkt.
Quelle: EZB, SNB (Schweizerische Nationalbank), Six Swiss Exchange, eigene Berechnung
Seit der letzten Zinsbewegung wurde verstärkt diskutiert, ob die Rechnungszinsen nach IAS 19 negativ werden können. Mercer-Chefaktuar Thomas Hagemann ist hierbei der Meinung, dass negative Diskontierungszinssätze im Rahmen der IFRS durchaus möglich sind. In IAS 19 wird klargestellt, dass sich die Diskontsätze an Renditen von Unternehmensanleihen hoher Qualität orientieren und eine Untergrenze, z. B. bei 0 Prozent, nicht vorgesehen ist.
Quelle: Mercer Blog, 26. Juli 2019, Chefaktuar Thomas Hagemann - Kommen bald negative Zinsen?
In Asset-Liability-Studien (ALM) wird häufig die Frage gestellt, wie Mercer Zinsen in die Zukunft projiziert. Mercer lässt standardmäßig negative Zinsen im Szenarien-Set zu.
1. Die Zinsen sind historisch niedrig: Wie in der Grafik unten dargestellt, befinden sich langfristige Zinsen im EUR-Raum auf einem historisch niedrigen Niveau. Die Zinsen am kurzen Ende sind bereits seit längerer Zeit negativ. Darüber hinaus ist die Zinskurve 2019 deutlich flacher geworden. Dies impliziert eine Markterwartung, dass der Zins für einen längeren Zeitraum nicht signifikant ansteigen wird.
2. Eingetrübter ökonomischer Ausblick: Zusätzlich zur Absenkung des Leitzinses seitens der EZB wird dieser Effekt durch die eingetrübte Stimmung in Europa (European Sentiment Index) und global (inverse Zinskurve in den USA, zunehmende geopolitische Risiken) verstärkt.
Quelle: Eurostat
Das folgende Chart zeigt die stochastische Projektion der marktneutralen Zinsen per 30.09.2019 nach Mercer, ausgewertet nach der Wahrscheinlichkeit negativer Zinsen. Der erwartete Wert 10-jähriger Swap-Zinsen in 15 Jahren ist mit 0,4 Prozent leicht positiv. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass die Zinsen unter 0 Prozent bleiben, in unseren Modellen liegt sie je nach Jahr zwischen 40 Prozent und 55 Prozent.
Quelle: Mercer Deutschland, Zinsmodell
Die aktuelle Marktsituation zeigt keine nennenswerten Zinsanstiege in der kurzfristigen Zukunft. Es könnte sein, dass der Zinssatz noch länger auf dem niedrigen Niveau bleibt. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass auch die Rechnungszinsen negativ sein können. Die Festlegung einer Zinssatzuntergrenze von Null ist nach IAS 19 und unserer Sichtweise nicht zulässig. Mercer empfiehlt daher die Überprüfung der Kapitalanlagestrategie, damit Sie Ihre Portfolien für eine langanhaltende Niedrigzinsphase wetterfest machen können.
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