Standpunkt
Referentenentwurf vernachlässigt die Stärken einer kollektiven Kapitalanlage

24.11.2016

Von unserem Experten Stefan Oecking, Partner bei Mercer

Warum stärkt die Bundesregierung eigentlich die bAV zur Lösung des sozialpolitischen Problems ‒ und nicht die Privatvorsorge? Dies ist eine durchaus berechtigte Frage, die sich aber relativ einfach beantworten lässt, denn es gibt dafür mindestens zwei gute Gründe:

1. Das Kollektiv organisiert sich effizienter als der Einzelne, zu günstigeren Konditionen und mit administrativen Vorteilen. Dies stärkt die Rendite nachhaltig.

Eine Vielzahl gleichartiger Versorgungsanrechte in der bAV lässt sich wesentlich effizienter administrieren als eine große Zahl individuell ausgerichteter Ansprüche in der Privatvorsorge. Dies erhöht den Wirkungsgrad der eingesetzten Mittel und damit das Versorgungsniveau deutlich.

Mindestens genauso deutlich wird der Vorteil bei der kollektiven Absicherung biometrischer Risiken. Der Einzelne, der seine Risiken abgedeckt haben möchte, sieht sich bei individualisierten Lösungen einer Vielzahl von Hindernissen gegenüber wie z.B. einer individuellen Gesundheitsprüfung oder eines Ausschlusses gewisser Risiken aufgrund von Vorerkrankungen oder des Alters bei der Absicherung gegen Invalidität. Erst durch ein hinreichend großes, nach einheitlichen Regeln abgesichertes Kollektiv ist die Abdeckung dieser Risiken zu vernünftigen Konditionen machbar.

2. Auch und gerade in der Kapitalanlage gilt: Ist die Last auf viele Schultern verteilt, lässt sie sich besser tragen.

Der zweite Aspekt wird im Referentenentwurf vom 4. November nahezu völlig ausgeblendet. Derzeit ist kein kollektiver Ausgleich der Vermögensanlage vorgesehen, sondern stattdessen in Anlehnung an die Beitragszusage mit Mindestleistung die Führung von Einzelkonten. Die Gewinne und Verluste aus Kapitalanlagen werden den Einzelkonten unmittelbar gut geschrieben bzw. angelastet, ohne einen kollektiven Sicherheitspuffer und ohne eine zeitliche Streckung. Damit werden die Stärken einer kollektiven bAV komplett ignoriert.

Prof. Oskar Goecke hat für seine Ausführungen zum Kollektivsparen und für die sich daraus ergebenden Perspektiven hinsichtlich einer Umsetzung im Rahmen der bAV auf diversen Tagungen großen Zuspruch erhalten. Auch die Gutachter des BMAS Hanau/Arteaga haben diesen Ansatz zitiert und in ihren Vorträgen verwendet. Vermutlich ist nur wenigen bewusst, dass all die dort aufgezeigten Möglichkeiten und Vorteile in dem gegenwärtig vorliegenden Gesetzentwurf nicht berücksichtigt wurden. Ganz im Gegenteil: Der Entwurf verbietet solche Modelle!

Ich empfehle dringend und sehr schnell eine Neuorientierung im aufsichtsrechtlichen Teil des Betriebsrentenstärkungsgesetzes. Mit dem Vorschlag, die Beitragszusage mit Mindestleistung einfach zu kopieren und dann lediglich die Mindestleistung zu streichen, kommen wir nicht weit: Damit werden die Möglichkeiten des Kollektivs nur unzureichend ausgeschöpft. Es besteht dringender Änderungsbedarf, auch um die Akzeptanz garantiefreier Systeme deutlich zu steigern.

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