Einordnung
Betriebsrentenstärkungsgesetz – Ist das grosse Werk vollbracht?

01. Juni 2017
Kommentar von Stefan Oecking, Partner bei Mercer

Nun ist das Betriebsrentenstärkungsgesetz nach zweieinhalbjähriger Diskussion endlich vom Bundestag verabschiedet worden, und angesichts der Einigkeit der Koalition ist auch für den Bundesrat der Weg geebnet.

In letzter Minute

In mehreren strittigen Themen wurde erst spät – quasi in letzter Minute – ein Kompromiss gefunden. Hier sind wohl vor allem die nun eingeschränkte Tarifexklusivität, die auf 2.200 Euro pro Monat erhöhte Gehaltsgrenze im Fördermodell und die stufenweise Ausdehnung der Weitergabe eingesparter Sozialbeiträge des Arbeitgebers bei Entgeltumwandlung auf alle externen versicherungsförmigen Versorgungssysteme anzuführen.

Die weitergehende Öffnung für nicht tarifgebundene Arbeitgeber dient letztlich dem Zweck, die Verbreitung der Altersvorsorge deutlich zu bessern und ist deshalb ausdrücklich zu begrüßen. Die Erhöhung der Gehaltsgrenze von 2.000 Euro auf 2.200 Euro pro Monat vergrößert den Kreis der potenziell Begünstigten des Fördermodells und dient damit demselben Zweck. Die erweiterte Weitergabe individuell eingesparter Sozialbeiträge erhöht dagegen zwar auf dem Papier die Attraktivität der Entgeltumwandlung, entzieht den Betriebspartnern letztlich aber eine Verfügungsmasse. Dies kann insofern nicht zufriedenstellen.

Trotz nachhaltiger Interventionen verschiedener Seiten blieb das Garantieverbot unangetastet. Auch die zuletzt ins Spiel gebrachten Wahlmöglichkeiten für Garantieleistungen im Alter wurden vom Gesetzgeber nicht umgesetzt. Dies ist konsequent. Nur durch den Verzicht auf Garantien wird den durchführenden Einrichtungen ermöglicht, eine attraktive Kapitalanlagestrategie umzusetzen, die die Chance auf angemessene Renditen, u. a. durch höhere Anteile am Produktivkapital, bietet. Und nur durch das Verbot von Garantien lässt sich die Konstruktion einer reinen Beitragszusage ohne Haftung des Arbeitgebers konsequent und widerspruchsfrei umsetzen. Letztlich wurde hier den Sorgen der Arbeitgeber Rechnung getragen, faktisch oder moralisch in Nachhaftung genommen zu werden, wenn eine durchführende Einrichtung zugesicherte Garantien am Ende doch nicht erfüllen kann. 

Ist das große Werk vollbracht? 


Die Politik hat ihre Hausaufgaben gemacht. Aus ihrer Sicht ist das Thema erstmal vom Tisch. 

Das Sozialpartnermodell könnte für die nächsten Generationen die Altersversorgung erheblich verbessern. Dazu bedarf es der Bereitschaft der Tarifpartner, die neuen Möglichkeiten rasch und umfassend zu nutzen und dabei auch die nicht tarifgebunden Unternehmen nicht ohne sachlichen Grund auszugrenzen. 

Das ausgeweitete Fördermodell wird nun viele Arbeitgeber zumindest nachdenklich machen, ob sie nicht die steuerliche Förderung einer betrieblichen Versorgung von Niedrigverdienern nutzen sollten. Sozialpolitisch besteht die Hoffnung, dass es in einigen Jahren allgemein geübte Praxis sein wird, Niedrigverdienern auf diese Art und Weise eine verbesserte Versorgung oberhalb der Grundsicherung zu sichern. Davon werden überproportional Teilzeitkräfte profitieren, und das ist angesichts der vielen Alleinerziehenden zu begrüßen. 

Auch die verbesserten Möglichkeiten, Gehaltsbestandteile automatisch durch Entgeltumwandlung in betriebliche Versorgung einzubringen, wenn der Arbeitnehmer nicht ausdrücklich widerspricht, sind hervorragend geeignet, die Beteiligungsquoten an Entgeltumwandlungsangeboten nennenswert zu erhöhen, wie Beispiele aus dem Ausland nachdrücklich belegen. 

Hierbei ist die Begrenzung der Anrechnung betrieblicher Versorgungsleistung auf die Grundsicherung noch einmal ausdrücklich hervorzuheben. Die Effizienz des Fördermodells und die Attraktivität von Entgeltumwandlung und Sozialpartnermodell für Niedrigverdiener ist letztlich nur dadurch angemessen sicherzustellen. 

Der Politik, und insbesondere der Bundesregierung und den eingebundenen Ministerien, ist ein Lob dafür auszusprechen, dass sie mutig und gegen viele Widerstände diesen Weg konsequent weiterverfolgt und nun weitgehend umgesetzt haben. 

Um das große Werk allerdings tatsächlich zu vollbringen, bedarf es noch erheblicher Anstrengungen. Dazu liegt der Ball nun bei Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften sowie bei Unternehmen und Mitarbeitern. Sie sind gefordert, die Angebote und Möglichkeiten, die der Gesetzgeber ihnen offeriert hat, auch zu nutzen. 

Was bleibt offen? 


Natürlich wurde nicht alles Wünschenswerte auch tatsächlich erreicht. Ein paar Beispiele:

  • Gehaltsgrenzen wie die 2.200 Euro-Grenze im Fördermodell müssen von vorneherein dynamisch gestaltet werden, um die Modelle nicht sukzessive zu entwerten.
  • Eine Freigabe für rein betriebliche Lösungen könnte dem Sozialpartnermodell den entscheidenden Durchbruch mit entsprechender Flächendeckung deutlich erleichtern.
  • Und die nachteilige und nicht sachgerechte steuerliche Behandlung der im Unternehmen finanzierte Direktzusage, immerhin die beliebteste Form betrieblicher Altersvorsorge, wurde von der Politik schon vor einiger Zeit von der Agenda genommen.  

Es bleibt also noch viel zu tun, aber die nächste Legislaturperiode kommt in Kürze.

 

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